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Die drei mutmaßlichen Neonazis auf einem Fahndungsfoto aus 1998.

Foto: REUTERS/Ostthueringer Zeitung

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2004, Köln, Keupstraße: 22 Menschen werden durch eine Bombe verletzt, Chaos herrscht. Das Trio bekannte sich zu dem Anschlag.

Foto: AP Photo/Hermann J. Knippertz

Was viele Deutsche umtreibt, fasst Thomas Oppermann, Geschäftsführer der SPD-Fraktion, in Worte: "Der Thüringer Verfassungsschutz hatte 24 Aktenordner, aber keine Ahnung." Nicht nur Politiker fragen sich:Wie kann es sein, dass eine Gruppe von mindestens drei Neonazis über Jahre hinweg morden und Banken überfallen konnte, ohne von der Polizei behelligt zu werden?

"Braune Armee Fraktion" wird die Gruppe in deutschen Medien in Anspielung an Linksterrorismus (RAF/Rote Armee Fraktion) bereits genannt. Aufgeflogen ist sie in der Vorwoche nach einem Banküberfall im thüringischen Eisenach. Noch bevor die Polizei zwei der mutmaßlichen Täter fassen konnte, erschossen sich diese selbst. Eine mutmaßliche Komplizin, die 36-jährige Beate Z., stellte sich der Polizei. Zuvor hatte sie noch die gemeinsame Wohnung des Trios in die Luft gesprengt. Gegen die Frau hat der deutsche Bundesgerichtshof am Sonntagabend einen Haftbefehl erlassen.

Seither gelangen immer grausamere Details ans Tageslicht. Das Trio hatte in Ostdeutschland offenbar 14 brutale Banküberfälle verübt, 2007 in Heilbronn eine junge Polizistin erschossen und zwischen 2000 und 2006 in ganz Deutschland acht türkische und einen griechischen Kleinunternehmer erschossen ("Döner-Morde" ). "Nationalsozialistischer Untergrund" nannte sich die Verbindung, und sie rühmte sich auf einer DVD, die in ihrem abgebrannten Haus in Zwickau gefunden wurde, ein "Netzwerk von Kameraden mit dem Grundsatz Taten statt Worte" zu sein. Laut Spiegel bekennen sich die beiden Männer nicht nur zu den "Döner-Morden" , sondern auch zu einem Bombenanschlag in einer überwiegend von türkischen Einwanderern bewohnten Straße in Köln im Jahr 2004, bei dem 22 Menschen durch Nägel verletzt wurden.

"Es sieht so aus, als ob wir es tatsächlich mit einer neuen Form des rechtsextremistischen Terrorismus zu tun haben" , sagt der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Er lässt nun alle unaufgeklärten Straftaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund seit 1998 neu untersuchen. Dazu zählen auch zwei Sprengstoffanschläge. Einer wurde 1998 auf das Berliner Grab des ehemaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden, Heinz Galinski, verübt, ein anderer 1999 bei der Wehrmachtsausstellung in Saarbrücken.

Verdächtiger festgenommen

Am Sonntag nahm die Polizei bei Hannover einen 37-Jährigen fest, der der Gruppe 2007 Führerschein und Reisepass zur Verfügung gestellt haben soll. Die seit Tagen inhaftierte Beate Z. will laut Bild-Zeitung nur gegen eine Kronzeugenregelung aussagen.

Im Bundestag wird diese Woche jenes Gremium, das für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig ist, zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Es gibt Mutmaßungen, dass Beate Z. und ihre beiden Komplizen, Verbindungen zum thüringischen Verfassungsschutz hatten. Die drei waren in den Neunziger Jahren im rechtsextremen "Thüringer Heimatschutz" aktiv. 1998 verschwanden sie völlig von der Bildfläche. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD-Printausgabe, 14.11.2011, online aktualisiert)