FPÖ-Chef Strache sieht nicht mehr ein, warum "sechs gesunde Volkswirtschaften einundzwanzig nichtgesunde durchfüttern sollen" - und will die Währungszone in Starke und Schwache aufteilen.

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Wien - Kaum etwas angenähert, schon wieder die kalte Schulter: Die halbe Fraktion der Grünen sitzt mit verschränkten Armen und skeptischer Miene da. Die Orangen rufen und zischen ständig dazwischen. Und der blaue Sektor macht bei jeder Gelegenheit auf Hohngelächter.

Mittwochmorgen, Sondersitzung im Parlament zur Schuldenbremse. Erstmals seit Ausbruch der großen Krise vor gut drei Jahren und nach knappen zwei Dutzend Krisengipfeln der Union stellt sich die Regierungsspitze den Abgeordneten, um ihnen zu berichten, was mit Merkel, Sarkozy und Co ausverhandelt wurde.

Nun schreibt Brüssel die Schuldenbremse vor, die der rote Kanzler und sein schwarzer Vize schon längst mithilfe von FPÖ, Grünen oder BZÖ in den Verfassungsrang befördern wollten. Doch nach fehlgeschlagenen, jetzt doch wieder konstruktiven Gesprächen sind an diesem Vormittag die ORF-Kameras dabei - und Werner Faymann und Michael Spindelegger haben ihre liebe Not, bei der gar nicht schaumgebremsten Opposition durchzudringen.

Verbalattacken von der Opposition

Der Kanzler redet mit ernstem Gestus von den Fängen der Finanzmärkte, denen es zu entkommen gelte. Der Vizekanzler verspricht, bei einem ausgeglichenen Haushalt würde man unabhängiger von den Rating-Agenturen. Immer wieder klatschen die eigenen Fraktionen begeisterten Beifall - was Heinz-Christian Strache, Eva Glawischnig und Josef Bucher genau null beeindruckt.

Hört man dem FPÖ-Chef zu, bekommt man fast den Eindruck, Faymann und Spindelegger höchstpersönlich hätten das gesamte Finanzdesaster Europas zu verantworten. Ständig wirft Strache den beiden die sündteuren Rettungsschirme für die maroden Staaten um die Ohren. "Die Österreicher wollen einen Schutz vor Ihnen und was Sie da anrichten!", schreit Strache demonstrativ aufgebracht in den Saal. Er sehe jedenfalls nicht mehr länger ein, "warum sechs gesunde Volkswirtschaften in der Union einundzwanzig nichtgesunde durchfüttern sollen". Und noch etwas: Österreichs Haftungen für Rettungsaktionen würden bald den Kosten von drei Millionen VW Golfs entsprechen! Jeder dritte Österreicher hätte damit schon einen schönen Mittelklassewagen!

Die grüne Obfrau Glawischnig, derzeit aussichtsreichste Kandidatin für die Unterstützung einer Schuldenbremse, wenn sich die Regierung zu einer Vermögenssteuer durchringt, verzichtet zwar auf Untergriffe, macht aber unmissverständlich klar, dass man sich "nicht nur dem Diktat von Merkel und Sarkozy unterwerfen" dürfe. Ihre Sorge: dass Europa kaputtgespart wird. Deswegen hält Glawischnig in Richtung Regierungsbank fest: "Sie können sich nicht sicher sein, dass wir Grünen Ihnen die Mauer machen!"

BZÖ-Chef Josef Bucher wiederum besteht auf seiner selbsterfundenen "Steuerbremse", wenn die Koalition seine Zustimmung für eine Schuldenbremse wolle. Aber auch er schaltet im Hinblick auf die Fernsehübertragung auf besonders stur: "Sie sind planlos, orientierungslos und haben nicht einmal ein Konzept! Wir haben zumindest einen Bucher-Plan!"(Nina Weißensteiner, DER STANDARD; Printausgabe, 15.12.2011)