Budapest/Wien - Seit acht Tagen sind fünf ehemalige und aktive Mitarbeiter des ungarischen Staatsfernsehens im Hungerstreik. Sie protestieren vor dem Gebäude des Staatsfunks MTV gegen die Zensurpraxis der staatlichen Nachrichtenagentur MTI.

Bei einem Interview mit dem rumänischen reformierten Bischof László Tökés wurde der im Hintergrund sichtbare Expräsident des Obersten Gerichts, Zoltán Lomnici, unkenntlich gemacht. Dabei gilt Lomnici nicht einmal als Kritiker des Regimes, Hintergrund dürfte eher eine persönliche Fehde gewesen sein.

Donnerstag reagierten die Verantwortlichen der Medienbehörde MTVA und der staatlichen Agentur MTI, die Nachrichten zentral für Ungarns Staatsfernsehen produziert: MTI-Nachrichtenchef Gábor Élö wurde entlassen. Er habe einen "schweren fachlichen Fehler" begangen, lautete die Begründung. MTVA-Chefredakteur Dániel Papp ist in dieser Funktion vorerst suspendiert. Papp soll bereits im April ein Interview mit dem grünen Europaabgeordneten Daniel Cohn-Bendit über die ungarische Regierung verfälscht haben. Er bleibt aber Chef des Gesellschaftsressorts.

Mit Videobotschaften in der auflagenstärksten überregionalen Tageszeitung Népszabadság melden sich unterdessen erstmals ehemalige Journalisten zu Wort, die unter MTVA und MTI arbeiteten. Sie erzählen von Manipulationen, Drohungen, Einschüchterungen und Missachtung journalistischer Freiheiten. (prie, DER STANDARD; Printausgabe, 17./18.12.2011)