Auf den ersten Blick unterscheidet sich Android 4.0 am Tablet nur in Details von der Vorgängerversion von Honeycomb. Allerdings verstecken sich hinter der Fassade zahlreiche Neuerungen, etwa die neue Art Folder einfach am Desktop einzurichten.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Hinter der Uhr am rechten, unteren Bildschirmrand verbirgt sich der Benachrichtigungsbereich sowie der Zugriff auf die Einstellungen.

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Wie die von Google forcierten "Fragments" sinnvoll für eine auf große Bildschirme optimierte Darstellung genutzt werden können, zeigt die neue People-App besonders gut, die gleich drei davon nebeneinander präsentiert.

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Eine speziell angepasste Version des Android Market für Tablets - wie noch bei Honeycomb üblich - soll es in Android 4.0 nicht mehr geben.

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Ein der Google-eigenen Anwendungen, die besonders gut vom zusätzlichen Platz auf einem Tablet Gebrauch machen, ist "Currents" (das allerdings hierzulande nur über Umwege verfügbar ist)

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Selbiges kann man von der offiziellen Google+-Anwendung nur schwerlich behaupten.

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Im Gegensatz zum Smartphone ist die Wochen- und Monatsansicht des Google Calendars am Tablet auch wirklich nützlich.

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Eine sinnvolle Kombination zweier "Fragments" zeigt auch der GMail-Client.

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Nicht bei allen Anwendungen machen solche Anpassungen überhaupt Sinn, die Gallery-App - samt Editor in der Version 4.0 - präsentiert sich praktisch deckungsgleich mit der Darstellung am Smartphone.

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Grobe Unterschiede gibt es hingegen zwischen der Darstellung der Youtube-App auf Smartphones und Tablets, selbst das Farbschema ist hier grundlegend anders. Für Smartphones setzt man hier ja mittlerweile auf helle Töne.

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Auch die Einstellungen präsentieren sich übersichtlich in zwei Spalten.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Konzentrierte man sich bei Google mit früheren Android-Versionen ganz und gar auf den Smartphone-Bereich, kam vor rund einem Jahr der offizielle Einstieg in das Tablet-Umfeld: Android 3.x "Honeycomb" brachte ein grundlegend neues Interface, das speziell auf diese Geräteklasse zugeschnitten war. Das Problem dabei: Es war eben "speziell auf diese Geräteklasse zugeschnitten", eine "Honeycomb"-Release für Smartphones war also nie geplant.

Shortcuts

Über die Ursachen für diese Entscheidung wurde in der Vergangenheit viel spekuliert. Mittlerweile dementiert man aber selbst bei Google nicht mehr wirklich, dass Honeycomb unter einem erheblichen Zeitdruck auf den Markt gekommen ist, um die Hardwarehersteller davon abzuhalten, weitere Android 2.x-Tablets zu entwickeln. Klar ist jedenfalls, dass dieser Schritt nachhaltige Konsequenzen hatte: Erstmals gab es im Android-Umfeld zwei vollständig unterschiedliche Oberflächen, was den App-EntwicklerInnen das Leben nicht unbedingt leichter machte.

Vertröstet

Google beeilte sich denn auch zu betonen, dass dieser Umstand keineswegs auf Dauer so bleiben solle, mit der darauf folgenden Softwaregeneration wolle man Tablets und Smartphones wieder in eine gemeinsame Codebasis zusammenführen. Und tatsächlich gab es dann Mitte November in Form des Source Codes die offizielle Freigabe von Android 4.0 "Ice Cream Sandwich . Wenig überraschend konzentrierte sich das Medieninteresse seitdem vor allem auf die Klärung der Frage, wie sich Android 4.0 auf Smartphones verhält, gibt es offizielle Releases von "Ice Cream Sandwich" doch bislang vornehmlich für die Google-Smartphones Nexus S und Galaxy Nexus.

Tablets

Damit gibt sich die Community allerdings nicht so einfach zufrieden, und so hat man in den letzten Wochen eifrig daran gearbeitet, Android 4.0 auf unterschiedlichste Plattformen zu portieren, darunter auch das eine oder andere Tablet. Der WebStandard hat sich solch eine experimentelle Version auf das Galaxy Tab 10.1 gepackt, um zu überprüfen, inwieweit Google sein Versprechen der Vereinheitlichung einhalten kann - und auch ganz simpel, um zu sehen, wie sich das "Ice Cream Sandwich" auf einem halbwegs aktuellen Tablet schlägt. Für all die grundlegenden Neuerungen von Android 4.0 - vom frischen Look über neue Funktionen bis zu den überarbeiteten Apps - sei hingegen auf unseren früheren Test verwiesen, der sich diesen Fragen in aller Ausführlichkeit widmet.

Philosophisches

Doch zunächst mal eine Anmerkung zu Googles Philosophie in UI-Fragen: Wie der Android-Hersteller nicht müde zu betonen wird, hält man die Entwicklung separater Tablet- und Smartphone-Versionen von Apps für einen grundlegenden Fehler. Schließlich werde es im aktuellen Hardwareumfeld zunehmend schwerer, klare Grenzen zu ziehen, die Formfaktoren immer diverser. Ist etwa Samsungs Galaxy Note noch ein Smartphone oder doch schon ein Tablet? Und wie sieht es mit unterschiedlichsten DPI-Dichten auf verschieden großen Geräten aus? Um hier flexibel zu bleiben, gibt man den EntwicklerInnen eine Reihe von speziellen Programmierschnittstellen (APIs) an die Hand, mit denen sie ihre Programme relativ einfach an unterschiedlichste Geräteklassen anpassen können - allen voran der "ActionBar" und die "Fragments". Darüber hinaus gibt es seit kurzem einen offiziellen Style Guide, der zu diesen Themen ebenfalls so einiges zu sagen hat.

Action!

Der ActionBar versammelt unterschiedliche programmspezifische Aktionen, von der Suche bis zur Wahl des aktiven Accounts im Mail-Client. Das Besondere daran: Er passt sich automatisch an den aktuellen Anzeigemodus an. Ist der Platz beengt, werden die Funktionen auf zwei Zeilen aufgeteilt (etwa bei GMail in der Porträt-Ansicht am Smartphone), ist mehr Raum vorhanden, können sie zusammengefasst werden (Breitbild-Ansicht am Smartphone oder immer am Tablet).

Fragmentarisch

Am Wichtigsten für den UI-Ansatz von Google sind aber wohl die "Fragments": Diese erlauben es das Interface einer Anwendung in mehrere Bestandteile zu gliedern, bei einem Mail-Client wären das beispielsweise die Liste aller Mails und die zugehörige Voransicht. Während nun beim Smartphone von einer solchen Ansicht zur anderen gewechselt wird, werden bei Geräten mit mehr Platz einfach mehrere solcher "Fragments" direkt nebeneinander dargestellt.

Beispielhaft

Wirklich gut zeigt sich dieser Ansatz bei der mit Android 4.0 neu eingeführten "People"-App: Anstatt wie am Smartphone immer zwischen den unterschiedlichen Darstellungen zu wechseln, präsentiert sich beim Tablet alles auf einen Blick, und zwar gegliedert in drei solcher Fragmente: Ganz links gibt es die Liste der eigenen Kontakte, in der Mitte die Details zum gerade angewählten Account und rechts dann die aktuellsten Updates dieser Person in diversen sozialen Netzwerken. Alle drei "Fragments" lassen sich dabei natürlich individuell scrollen. Wechselt man in den Porträt-Modus des Tablets wird die dritte Spalte zunächst nur mal angedeutet, kann dann aber mit einem "Swipe" in den Vordergrund gerückt werden - wie es ja auch Android-4.0-Smartphones praktiziert wird.

Basics

Der grundlegende Aufbau von Android 4.0 am Tablet erinnert stark an den Vorgänger "Honeycomb": Am unteren Bildschirmrand gibt es ein fix positioniertes Panel, linker Hand mit der Navigation versehen. Auf der rechten Seite hat man den Systembereich positioniert, über den es auch Zugriff auf Benachrichtigungen und Einstellungen gibt. Alles grafisch etwas überarbeitet gegenüber Android 3.0 - etwa durch den Wechsel auf die neue Schrift "Roboto" - die Prinzipien sind aber weitgehend die gleichen geblieben. Über allgemeine Neuerungen von "Ice Cream Sandwich", wie die Möglichkeit Benachrichtigungen mit einer einfachen "Wischbewegung" gezielt zu entfernen, darf man sich aber natürlich auch hier freuen.

Auffälligkeiten

Der Task Manager gibt sich etwas platzsparender als bei Android 3.x, zeigt also mehr aktuelle Apps auf den ersten Blick an. Und auch hier erfreut man sich jetzt der Möglichkeit Programm gezielt mit einem "Swipe" zu entfernen. Die Widget-Verwaltung ist wie beim Smartphone in den Anwendungs-Launcher gewandelt, die bisher dafür zuständige, separate Ansicht wurde entfernt. Insgesamt stehen fünf Home-Screens zu Verfügung, beim Wechsel zwischen diesen kommt übrigens weiterhin die von Honeycomb gewohnte, leichte Rahmenanimation zum Einsatz. Ein weiterer Unterschied zum Smartphone: Der benachbarte Homescreen wird am Bildschirmrand jeweils leicht angedeutet.

Speed!

Was bei der Nutzung sofort auffällt: Android 4.0 ist im Vergleich zu einem unmodifizierten Android 3.1 auf dem Galaxy Tab 10.1 signifikant flotter. Der Wechsel zwischen den Home-Screens ist flüssiger, die Launcher-Animationen butterweich. Hier hat man bei Google mit dem weiteren Ausbau der Hardwarebeschleunigung und anderen Optimierungen ganze Arbeit geleistet. Dies übrigens, obwohl Google mittlerweile durchaus offen über grundlegende Begrenzungen des Tegra2-Chips von Nvidia - der das Galaxy Tab 10.1 und zahlreiche andere Android-Tablets des vergangenen Jahres antreibt - spricht, die vollständig flüssige Animationen auf Geräten mit einer solch hohen Auflösung schwierig machen.

Fehlende Anpassung

Weniger erfreulich ist eine andere Erkenntnis: Selbst so manche mit Android 4.0 fix ausgelieferte Anwendungen wurde momentan noch nicht für Ice Cream Sandwich optimiert. Vor allem die Google+-Anwendung wirkt auf Tablets etwas verloren, einzig die zugehörigen Widgets können sich sehen lassen.

Fazit / tl;dr

Auch wenn sich die Änderungen für Tablets - im Vergleich zum großen Sprung bei den Smartphones - mit Android 4.0 in überschaubaren Grenzen halten, bringt die neue Version doch auch hier deutliche Vorteile zu "Honeycomb", nicht zuletzt in Hinblick auf die Performance. Auch lassen die Vereinheitlichung mit der Smartphone-Release und die zugehörigen APIs zur Anpassung an verschiedene Formfaktoren darauf hoffen, dass Apps in Zukunft von Haus wesentlich besser in die Tablet-Welt passen. Mit dem Vorgänger Honeycomb ist es Google ja nur sehr begrenzt gelungen, die EntwicklerInnen zu den notwendigen Schritten zu bewegen.

Ausblick

Es ist davon auszugehen, dass beinahe alle dieses Jahr kommenden Android-Tablets - wenn man mal von Amazons Alleingängen absieht - auf "Ice Cream Sandwich" basieren werden. Zudem haben die größeren Hersteller von Android-Tablets bereits angekündigt, ihre letztjährigen Modelle auf Android 4.0 aktualisieren zu wollen. Darunter beispielsweise Samsung mit seinen diversen Galaxy Tabs (10.1 / 8.9 / 7.7 und 7.0plus, nicht aber das originale, erste Galaxy Tab) oder Sony mit dem Tablet S. Den Anfang hat vor wenigen Tagen ASUS mit dem Start der Auslieferung eines entsprechenden Updates für das "Transformer Prime" gemacht. Auch das ICS-Update für das Motorola Xoom soll derzeit bereits mit ersten NutzerInnen getestet werden.

Update-Speed

Am Rande bemerkt könnte es künftig überhaupt so sein, dass Tablets früher mit neuen Android-Versionen beliefert werden als Smartphones. Immerhin fällt zumindest bei den Ausgaben ohne 3G-Support die Autorisierung durch die Netzbetreiber weg - und genau dieses Hin und Her macht derzeit den Löwenanteil bei den ungeliebten Wartezeiten auf Hersteller-Updates aus.

Community

Wer nicht auf die Updates der Hersteller selbst warten will, kann sich natürlich in einschlägigen Foren wie XDA Developers nach Community-Builds umschauen, sei allerdings davor gewarnt, dass diese derzeit oft noch in einem recht unfertigen Zustand sind. So fehlt bei der für den Test verwendeten, inoffiziellen Vorversion von CyanogenMod 9 für das Galaxy Tab 10.1 noch die Kameraunterstützung. Zudem gilt wie immer, dass man sich vor dem Flashen einer Drittfirmware der damit verbundenen Risiken bewusst sein sollte, und im Fall des Falles auch mit eventuell auftretenden Problemen umgehen kann. (, derStandard.at, 15.01.12)