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Geschäftsübernahmen: Vieles bleibt beim Alten, manches wird ganz neu.

Foto: AP/Seth Wenig

Steffi Steinfellner hat es geschafft. Endlich fühlt sie sich in ihrem Geschäft, einem Kosmetiksalon in Wien-Meidling, wie zu Hause. Anfangs standen noch abgenutzte Möbel und alte Geräte herum, erzählt sie. Wochenlang musste alles hergerichtet werden, doch mit ein bisschen Farbe, einer modischen Couch und neuen Handtüchern fühlt es sich schon heimeliger an. Steinfellner sitzt vor einer meterhohen Tapete mit Bambusmotiven und schlürft alkoholfreien Zimtpunsch. Sie ist von Kopf bis Fuß in Weiß gekleidet, ein bisschen Krankenschwester, ein wenig Therapeutin. "Jetzt", sagt die Frau mit den nachgezogenen Augenbrauen, "ist das hier mein Geschäft."

Nichts deutet mehr darauf hin, dass es einmal jemand anderem gehört hat. Nur an der Fassade über dem Eingang prangt noch der rostige Umriss des alten Namens. Die Vorbesitzerin ist in Pension gegangen und fand keine Familienangehörigen, die ihr Geschäft hätten übernehmen können. 

"Lebende" Unternehmen fortführen 

Jährlich gibt es österreichweit rund 5800 Unternehmer, die wie Steffi Steinfellners Vorgängerin ihren Betrieb an Nachfolger abgeben. Für jede zweite Übernahme findet sich mittlerweile kein Nachfolger mehr innerhalb der Familie. Diese Unternehmer können dann ihre Geschäfte unter anderem über die Nachfolgebörse der Wirtschaftskammer zur Übergabe anbieten. Solcherart werden bereits bestehende, "lebende" Unternehmen fortgeführt, wenn auch wie im Fall von Frau Steinfellner in etwas veränderter Form.

Die meisten von ihnen gibt es derzeit in Wien, fast ein Drittel. Danach folgt die Steiermark, dann Niederösterreich - die wenigsten gibt es im Burgenland. Bis zum Jahr 2020 rechnet die Wirtschaftskammer mit 20.000 weiteren Unternehmen, die zur Übernahme bereit wären.

Die Übernahme bereits existierender Geschäfte birgt viel Positives. Man spart sich dabei Energie, die in den Aufbau eines Unternehmens, in den Kundenstock und die Mitarbeiter gesteckt werden müsste. Und mit einem betriebsbereiten, auf dem Markt eingeführten Unternehmen kann man wirtschaftlich sofort tätig werden. 

Kundenstock bewahren

Zwischen Steffi Steinfellner und der Vorbesitzerin gab es ebenfalls einen fliegenden Wechsel, auch beim Kundenstock. "Ich habe 90 Prozent der Kundinnen meiner Vorgängerin halten können", sagt Steinfellner. Seit mittlerweile eineinhalb Jahren wird zu moderaten Preisen gezupft, geknetet und gepeelt. Mit der Kosmetikerin Steinfellner arbeiten hier noch ein Masseur und eine Fußpflegerin - sie alle sind selbstständig, zusammen bilden sie eine Kooperation und arbeiten in Steinfellners "Cosmetic Vital". In der Auslage sind Döschen und Cremen ausgestellt, darüber baumeln Engelsflügel aus weißen Federn. 

Draußen vor dem Schaufenster verläuft die Breitenfurter Straße, eine viel befahrene Strecke, keine fünf Gehminuten vom Verkehrsknotenpunkt Philadelphiabrücke entfernt. Trotz der Verkehrsbelastung ist das hier keine tote Gegend. Etliche kleinere Geschäfte, Schneidereien und Lebensmittelläden reihen sich aneinander. Vom lebendigen Grätzl profitiert auch Steffi Steinfellner. In ihren Schönheitssalon kommen Frauen jedes Alters, es herrscht geschäftiges Treiben, es wird getratscht und gelacht. 

Bürokratische Hürden berücksichtigen

Doch bis Steinfellner das Geschäft übernehmen konnte, musste sie einiges an Bürokratie erledigen. So musste sie eine Berechtigungsprüfung ablegen, also den Lehrabschluss nochmals machen, ebenso wie eine Prüfung darüber, dass sie imstande ist, ein Geschäft zu leiten. Das war Voraussetzung für die Berufsausübung als Kosmetikerin. Zwar hat Steinfellner einen Lehrabschluss als Kosmetikerin, doch dieser wurde nicht anerkannt, weil ihn die gebürtige Deutsche damals in der DDR gemacht hatte.

Die Wirtschaftskammer rät dringend, solche Fragen rechtzeitig zu klären, bevor man etwas übernimmt. Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind zu bedenken, also zum Beispiel Genehmigungen oder Verträge? Wie sehen die Branchenperspektiven aus? 

Mit dem neuen Diplom in der Tasche bot Steinfellner ihre Dienste als selbstständige Kosmetikerin an - zunächst an verschiedenen Standorten. Tageweise ging sie zu ihren Kooperationspartnern, etwa einem Fußpflege- und einem Sonnenstudio. Doch das erwies sich als reichlich unwirtschaftlich: Für jeden Standort musste Steinfellner extra Miete bezahlen, auch ihr Equipment brauchte sie in mehrfacher Ausführung. "Das Herumfahren hat mich außerdem sehr gestört", erzählt sie. Im Jahr 2008 entschloss sie sich, etwas Eigenes aufzubauen. 

Nicht von vorne anfangen

Dass sie zu diesem Zweck ein bereits bestehendes Geschäft übernehmen wollte, statt ein völlig neues zu gründen, das wusste Steffi Steinfellner von Anfang an. "Ich dachte mir, weil ich schon über 50 bin, suche ich mir etwas, wo ich nicht von vorne anfangen muss." Derzeit versucht sie, den bestehenden Kundenstock durch diverse Couponaktionen auszubauen. Es sei eine Gratwanderung, sagt sie, denn alte Kundinnen dürfen nicht verschreckt werden.

Wer nicht - zumindest bis zu einem gewissen Grad - Kontinuität bewahren will, der sollte lieber gleich etwas ganz Neues gründen. Steinfellner zum Beispiel hat eine Mitarbeiterin von der Vorbesitzerin übernommen, die bereits seit mehr als einem Jahrzehnt im Kosmetiksalon arbeitet. Den Betrieb kennt diese Angestellte ebenso gut wie langjährige Kundinnen. Vieles blieb beim Alten in Steffi Steinfellners Salon - und doch wurde er neu. (Nina Brnada, derStandard.at, 23.1.2012)