350.000 Mieterinnen und Mietern steht heuer wieder eine empfindliche Mieten-Erhöhung bevor: Das Justizministerium dürfte Ende März eine Erhöhung der Richtwerte um 5,13 Prozent bekanntgeben. Dieser Wert errechnet sich aus den durchschnittlichen Inflationsraten der Jahre 2010 und 2011. Seit der letzten Gesetzesänderung werden die Richtwerte nur noch alle zwei Jahre an den Verbraucherpreisindex angepasst, heuer am 1. April ist es wieder soweit.

3,3 Prozent betrug die durchschnittliche Inflationsrate 2011 laut den aktuellen Daten der Statistik Austria, 2010 lag sie bei vergleichsweise moderaten 1,9 Prozent. Aus diesen beiden Werten errechnet sich die nun anstehende Erhöhung, die sich direkt auf die Nettomieten von Altbauwohnungen (vor 1945 errichtet) auswirken wird. Dazu gehören auch jene 95.000 Mieterinnen und Mieter von Wiener Gemeindebauwohnungen, die ihre Mietverträge nach dem 1. März 1994 unterzeichnet haben.

Die Anpassung wird vom Justizministerium Ende März vorgenommen werden - falls die Sache nicht wieder ein Politikum wird, wie dies 2008 und 2009 schon der Fall war: Damals wurden zunächst von Justizministerin Maria Berger die Regeln geändert, sie legte statt der Dezember- die Jahres-Inflationsrate als Messlatte fest. Ein Jahr später setzte ihre Nachfolgern Claudia Bandion-Ortner die Erhöhung um ein Jahr aus und ließ auf einen Zwei-Jahres-Rhythmus umstellen.

Abkehr vom Automatismus gefordert

Mieterorganisationen fordern schon länger die Abkehr von der automatischen Anpassung. Die Richtwerte sollten stattdessen beispielsweise alle fünf Jahre um die halbe Inflationsrate erhöht werden, sagte AK-Wohnrechtsexperte Walter Rosifka im Herbst zu derStandard.at. Schon damals forderte außerdem AK-Präsident Herbert Tumpel, die Richtwertmieten-Erhöhung 2012 wieder ausfallen zu lassen.

Für den Präsidenten der Mietervereinigung Österreich (MVÖ), Georg Niedermühlbichler, ist es allgemein "nicht gescheit, die Mieten dem Index anzupassen". Die Häuser, die von dieser Regelung betroffen seien, wären nämlich in aller Regel schon ausfinanziert; die allermeisten Preiserhöhungen, die die Vermieter hinzunehmen hätten - etwa die jüngsten Gebührenerhöhungen in Wien -, würden ohnehin mit den Betriebskosten abgegolten werden. "Fair wäre eine Erhöhung der Mieten im Ausmaß von beispielsweise nur einem Fünftel der Inflationsrate", so Niedermühlbichler am Montag zu derStandard.at. Damit würde man seiner Ansicht nach auch die "Spirale nach oben" durchbrechen, denn die nun anstehenden Mietenerhöhungen würden sich wieder auf die Inflation auswirken - und so weiter.

Zweitniedrigster Wert in Wien

Der Richtwert ist je nach Bundesland unterschiedlich. In Wien beträgt er derzeit 4,91 Euro pro Quadratmeter. Das Burgenland hat mit 4,47 Euro den niedrigsten Richtwert, Vorarlberg mit 7,53 Euro den höchsten.

Die tatsächlichen Mieten liegen aber meist noch um einiges höher, denn zum bloßen Richtwert kommen im Regelfall noch Zuschläge für Lage oder Ausstattungsmerkmale hinzu, außerdem die Betriebskosten und die zehnprozentige Umsatzsteuer.

Zuschläge unter Dauerkritik

Die Arbeiterkammer kritisiert das 1994 eingeführte Richtwertmieten-System - damals wurde das Kategoriemietensystem abgeschafft - seit Langem. Der Vermieter sei nämlich derzeit nicht dazu verpflichtet, die Zuschläge aufzuschlüsseln und einzeln im Mietvertrag anzuführen, de facto seien diese deshalb nach oben hin nicht begrenzt. 

Für Niedermühlbichler wäre es auch an der Zeit, das Verhältnis der einzelnen Landes-Richtwerte zueinander zu überdenken. Sie wurden bei der Einführung des Systems im Jahr 1994 anhand der Grund- und Baukosten für eine so genannte "fiktive Normwohnung" berechnet, eine gut ausgestattete geförderte Neubauwohnung in einem mehrgeschossigen Gebäude mit mindestens vier Wohnungen. Die so entstandenen Werte wurden seitdem stets bloß an die Inflationsrate angepasst, das Verhältnis zueinander änderte sich seitdem nicht mehr, was für Niedermühlbichler "nicht mehr gerechtfertigt" ist.

Baukosten moderat gestiegen

Neben dem VPI gab die Statistik Austria am Montag auch die Entwicklung des Baukostenindex für den Wohn- und Siedlungsbau bekannt. Dieser ist im Jahresdurchschnitt 2011 gegenüber 2010 um 2,3 Prozent gestiegen, womit der durchschnittliche Kostenanstieg im Vorjahr - vor allem ab Mai - etwas gedämpfter ausgefallen ist als 2010 (3,2 Prozent). Im Tiefbau gab es einen stärkeren Anstieg als im Hochbau.

Im Dezember erhöhte sich der Baukostenindex für den Wohnhaus- und Siedlungsbau im Vergleich zum Vorjahresmonat um 1,5 Prozent und im Vergleich zum Vormonat November um 0,1 Prozent. Dominiert war der Baukostenindex laut Statistik Austria vor allem durch die starken Preisanstiege bei den Rohstoffen, hauptsächlich für Bitumen sowie Betonfertigteile und Energie und Treibstoffe. (map, derStandard.at, 16.1.2012)