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Ist die Literatur die einzige Kunstgattung, die zur Speckigkeit neigt?

Foto: APA/Volker Weihbold

Zum Jahreswechsel hat die "Zeit" ihre Feuilletonredakteure dazu ermuntert, ihre Neujahrswünsche zu Papier zu bringen. Literaturkritiker Ijoma Mangold hat sich bei dieser Gelegenheit als Freund des "schlanken, sehnigen Romans" geoutet und die Poeten der Welt dazu ermahnt, auf den „Body-Maß-Index" ihrer geistigen Hervorbringungen zu achten. Wer also auf eine positive Rezension im Zeit-Feuilleton spitzt, sollte sich kurz fassen und so dem Feuilletonredakteur, der sich allein schon aus arbeitsökonomischen Gründen nach Büchern mit einem barmherzig niedrigen BMI sehnt, entgegenkommen. Denn eines hat Mangold gar nicht gern: Erzählerischen Überschuss. "Das braucht es alles nicht, weg mit den überflüssigen Narrationskilos, weg mit dem Erzählspeck."

Nun fallen mir durchaus einige zur Logorrhoe tendierende Schriftsteller ein, welche Mangolds Wunsch gerechtfertigt erscheinen lassen. Zu weit sollte man den Kampf gegen die Buch-Adipositas aber denn doch nicht treiben. Erstens tummeln sich in der weltliterarischen Top-Etage genug fette Schwarten herum: Man denke nur an die Narrationskilos von literarischen Schwergewichten wie Balzac, Thomas Mann, Musil, Proust oder Joyce. Zweitens beschwört der Befehl zum Dünnsein die Vorstellung von humorlosen Diätaposteln herauf, von magersüchtigen Models, krampfhaften Genußverweigerern und sonstigen Spaßbremsen, die allen lustvollen Aspekten von Literatur diametral entgegenlaufen. Dünn alleine heißt noch lange nicht gut.

Die Metapher vom "Erzählspeck" werde ich mir aber merken, die gefällt mir. Und ich hab auch nachgegoogelt, ob sie noch anderswo vorkommt als im Zeit-Feuilleton. Das tut sie. So hat etwa die deutsche Autorin Ursula Krechel einmal vor "überflüssigem Erzählspeck" gewarnt, während dem Berliner Juristen und Schriftsteller Ferdinand von Schirach auf etlichen Web-Seiten nachgerühmt wird, er habe mit dem Motto "Weg mit dem Erzählspeck" ernst gemacht in seinen Erzählungen. Ein paar fette Fragen ließen sich anfügen: Ist die Literatur die einzige Kunstgattung, die zur Speckigkeit neigt? Oder gibt es auch Tonspeck in der Musik? Farbspeck in der Malerei? Ist es immer ein und dieselbe Sorte von Speck, die sich an den Bauch der Literatur anlagert? Oder gibt es unterschiedliche Arten von Bücher-Verfettungen? Lardo-Lyrik, Pancetta-Prosa, belletristischer Bacon? Ich hoffe auf ein paar gut durchwachsene Postings der verehrten Leserschaft.