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Je schlechter es der Wirtschaft geht, desto größer ist der Andrang.

Foto: Reuters/Arnd Wiegmann

Davos - Im Schweizer Davos wird ab Mittwoch wieder nach Zukunftsrezepten für die globale Wirtschaft gesucht. Mit 2.600 Teilnehmern verbucht das 42. Weltwirtschaftsforum eine Rekordbeteiligung. "Je schlechter es der Wirtschaft geht, desto größer ist der Andrang", sagt WEF-Gründer Klaus Schwab. 40 Staats- und Regierungschefs, 1.600 Unternehmer und Minister aus 19 der G20-Länder kommen ins entlegene Graubündner Alpental, um nach Wegen aus Schuldenkrise und drohender Rezession zu suchen.

Rundumschlag von Standard & Poor's

Das WEF-Jahrestreffen findet immer in der letzten Jänner-Woche statt. Heuer ist der Zeitpunkt besonders passend - wenige Tage nach dem Rundumschlag der US-Ratingagentur Standard & Poor's gegen neun europäische Staaten und am Vorabend des entscheidenden EU-Gipfels zum Fiskalpakt am 30. Jänner. Beobachter erwarten, dass es diesmal nicht nur akademische Diskussionen geben wird, sondern durchaus auch konkrete Gespräche zur Bewältigung der Schuldenkrise. Immerhin sind alle acht G8-Staaten mit ihren Finanzministern vertreten, auch 18 Notenbankchefs kommen, darunter EZB-Präsident Mario Draghi. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wird am Mittwoch die Eröffnungsrede beim Forum halten.

Der zweite Teil von "Merkozy", Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, bleibt dem Weltwirtschaftsforum diesmal jedoch fern. Grund dafür dürften die anstehenden Präsidentenwahlen in Frankreich sein. Auch andere bedeutende Urnengänge des Jahres werfen ihre Schatten voraus. So zeigt die US-Regierung von Präsident Barack Obama dem WEF erneut die kalte Schulter mit Ausnahme von Finanzminister Timothy Geithner. Auch der scheidende Kreml-Chef Dmitri Medwedew fehlt heuer. Blass ist ebenfalls die Beteiligung der Sorgenkinder Europas: Aus Spanien, Italien und Griechenland kommt bestenfalls die zweite Garnitur.

WEF-Gründer Schwab warnte im Vorfeld des Treffens in dramatischen Worten vor einer Verschärfung der Wirtschaftskrise. "Jetzt droht sogar eine große Depression", sagte er in einem Interview mit dem Magazin "Bilanz". Grund dafür seien die drastischen Sparanstrengungen, die die europäischen Staaten wegen ihrer angehäuften Schuldenberge unternehmen müssen. Nachdem die milliardenschweren Kapitalspritzen zur Rettung angeschlagener Banken und Staaten bisher nur wenig Wirkung gezeigt haben, droht der Feuerwehr das Löschwasser auszugehen.

Wege aus der Krise

In Davos soll nun über neue Wege nachgedacht werden, um die drohende Rezession doch noch abzuwenden. "Wir haben es verpasst, die Lehren aus der Finanzkrise von 2009 zu ziehen", sagt Schwab. "Der Kapitalismus in der bisherigen Form passt nicht länger zu unserer Welt." Der Kapitalismus dürfe sich nicht nur an den Interessen der Aktionäre orientieren, sondern an denen aller Anspruchsgruppen, fordert er. Dies seien auch Mitarbeiter eines Unternehmens, Staat, Gesellschaft oder Nichtregierungsorganisationen. Harsche Kritik übt Schwab an den Managern. Diese sollten keine Aktionäre sein. Manager sei ein Beruf, der angemessen, aber nicht überzogen bezahlt werden solle. "Davon haben wir uns zu weit entfernt", sagte Schwab.

Es sind wohl kapitalismuskritische Töne wie diese, die dazu beitragen, dass der Widerstand gegen das WEF deutlich nachgelassen hat. Noch vor wenigen Jahren demonstrierten Tausende gegen das Treffen der Mächtigen in Davos, heute wagen sich nur noch wenige auf die Straße. Unentwegt ist die lokale Linke, die auch heuer wieder demonstrieren will. Allerdings haben die Veranstalter von sich aus auf einen Protestmarsch verzichtet, und die Kundgebung findet auf dem weniger zentral gelegenen Rathausplatz statt. Ein paar Dutzend friedliche Aktivisten der "Occupy WEF"-Bewegung werden in einem Iglu-Camp hausen, um ihr Missfallen mit dem Treffen zu bekunden.

Noch im Jahr 2000 kam es während eines Besuchs von US-Präsident Bill Clinton zu wüsten Straßenschlachten in Davos. Die Führung des Treffens setzte seitdem darauf, die Gegner einzubinden, etwa mit dem "Open Forum Davos". Die kapitalismuskritische Bewegung "attac" wiederum domestizierte sich gleich selbst. "Unser Ansatz ist heute pragmatischer. Wir analysieren die ökonomische Situation und leiten daraus konkrete Forderungen ab", sagte attac-Generalsekretär Remy Gyger auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Auf Demonstrationen verzichte man lieber. "Viele Leute waren der Ansicht, dass das dem Anliegen eher schadet", sagt er mit Blick auf die Gewaltexzesse in der Vergangenheit. (APA)