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"Wenn man Kandidat ist, ist man nicht polemisch": Zyperns Außenministerin Kozakou-Marcoullis, hier mit ihrem griechischen Kollegen Dimas, über die Türkei.

Foto: AP/Karadjias
Graphik: Standard

Mitten in der Finanzkrise hat Zypern seinen Energiereichtum entdeckt.

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Zypern ist klein, doch in Nikosia denkt man in diesen Wochen in großen Kategorien. Der Erzbischof spricht von einem Geschenk Gottes, die Bankiers atmen auf. "Wir haben Strom für 210 Jahre" , stellt Praxoula Antoniadou, die Energieministerin, fest. Draußen, weit vor der zyprischen Küste, hat der US-Konzern Noble mindestens 200 Milliarden Kubikmeter Gas gefunden. Jetzt hat das Energiefieber Zypern gepackt, oder genauer: den griechisch-zypriotischen Teil im Süden der Insel.

Denn der Gasfund in Block 12, im vergangenen Monat offiziell von Noble bestätigt, kommt auch zu einer politisch kritischen Zeit. Die Türkei, die den Nordteil der Insel besetzt hält, aber auch die Uno sprechen vom "endgame" , der Schlussphase in den Verhandlungen über eine Art Wiedervereinigung der seit bald 40 Jahren geteilten Insel. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon will im April eine internationale Konferenz, auch wenn die Gespräche zwischen dem zypriotischen Präsidenten Dimitris Christofias und dem Führer der türkischen Zyprer, Derviş Eroglu, diese Woche in New York keine Annäherung gebracht haben.

Ankara hat schon gedroht: Sollte es keine Einigung auf Zypern geben, bevor Nikosia mit 1. Juli erstmals die EU-Präsidentschaft übernimmt, dann "friert" die Türkei ihre Beziehungen zur Union ein. Erato Kozakou-Marcoullis, Zyperns Außenministerin, hat eine nicht weniger kühle Antwort parat: "Wenn man Kandidat ist, will man sein Bestreben zeigen, Teil jener Staatengemeinschaft zu sein, der man angehören will. Dann ist man nicht polemisch" , sagt die erfahrene Politikerin, die bereits einmal das Außenressort innehatte.

Die Nachricht von dem Gasfeld treibt die Spannungen nur weiter. Auch das staatliche türkische Mineralölunternehmen TPAO wird im Auftrag der nordzyprischen Führung nun nach Erdgas bohren. Bis spätestens Ende Februar sollen vor Famagusta die Arbeiten beginnen. Es ist ein Weg, um die internationale Ausschreibung zur Erkundung der zwölf restlichen Blöcke zu stören, die Zyperns Regierung nun vorbereitet. Der andere ist die Einflussnahme auf die libanesische Regierung. Ankara versucht den Libanon von der Ratifizierung eines bereits geschlossenen Abkommens über die Grenzen der Wirtschaftszone mit Zypern abzubringen. Das dürfte nicht zu schwer sein; der Libanon streitet ohnehin über die Seegrenze mit Israel - auch dort ist Erdgas gefunden worden.

"Die Region hat eine ganz neue Dimension erhalten" , sagt Gary Lakes, Analyst des auf Energiefragen spezialisierten Middle East Economic Survey in Nikosia. 900 Milliarden Kubikmeter in den bisher entdeckten Feldern in Zypern und Israel - "das ist schon eine Menge Gas für den Anfang" .

Weil es nach der Förderung irgendwie transportiert werden muss, schafft das Gas nun neue Allianzen, auch wenn die zypriotische Außenministerin die Idee einer regionalen Zusammenarbeit beschwört, an der Ägypten, Israel, der Libanon teilhaben und die vielleicht auch die Zypernfrage zu lösen helfe. Ablesbar ist derzeit nur die Annäherung zwischen Zypern und Israel, alles im Gefolge der Spannungen, die beide Staaten mit der Türkei haben. Im nächsten Monat kommt Benjamin Netanjahu nach Nikosia. Es ist der erste Besuch eines israelischen Premierministers auf Zypern.

Viermal in nicht einmal einem Jahr ist Zypern wegen seiner finanziellen Schieflage herabgestuft worden, von A auf mittlerweile BB+ bei Standard&Poor's. Auf den Schaufensterscheiben vieler Geschäfte in Nikosia liest man wie in Athen den Hinweis "Enoikiazetai" ("Zu vermieten" ), doch über die Schnellstraßen der Stadt rasen weiterhin die Sportwagen. Wenn gelitten wird, dann auf immer noch hohem Niveau. Bis Zypern Gas für den eigenen Bedarf nutzen und dazu noch exportieren kann, mag es bis 2020 dauern. Doch die Perspektive für wirtschaftliches Wachstum sei da, sie erleichtere die Zyprioten sehr, sagt Antoniadou, die Energieministerin. Bald schon werde sich die "neue Ära" in ausländischen Investitionen niederschlagen.

Die politische Zukunft der geteilten Insel ist weit weniger klar. "Ich weiß es nicht" , gibt Außenministerin Kozakou-Marcoullis zu. Ankara droht mit dem Ende der Zyperngespräche und endgültiger Teilung der Insel: "Sie reden bereits vom Plan B, dem Tag danach, als ob sie schon darauf vorbereitet wären." (Markus Bernath aus Nikosia, DER STANDARD, Printausgabe, 27.1.2012)