Man wird ja noch träumen dürfen. Etwa davon: Erwin Pröll wäre, obwohl Niederösterreich auf ewig und unverbrüchlich verbunden, vom Volk justament zum Bundespräsidenten gewählt worden - und diese Woche hätte er seine Abschaffung verlangt. An seiner Opferbereitschaft ist nicht zu zweifeln, und wer es dennoch tut, der kennt ihn schlecht. Der Mann ist schließlich, auch wenn das zunehmend Burleske seiner Auftritte manchmal darüber hinwegtäuscht, ein Muster an Konsequenz. Wo immer sich ein bissel was einsparen lässt, wird er in diesen Tagen zum rasenden Sparefroh, bereit, sich selbst vom Hausaltar des Vaterlandes wegzusparen, hätte man der Bevölkerung nur die Chance gegeben, ihn dorthin zu entsenden.

Es war die eigene Partei, die ihm damals einen Strich durch die Rechnung machte, über die Grenzen des Landes unter der Enns zeigen zu können, wo der Bartel den Most holt. Und heute ist es wieder die eigene Partei, die ihm die Gefolgschaft verweigert, kleinkariert, wie sie ist. Jetzt muss das Volk tatenlos zusehen, wie der Bundespräsident ohne Rücksicht auf die Schuldenbremse im Amt bleibt! Selbst schuld, es hat ihn ja auch gewählt. Das kommt von diesen Auswüchsen der direkten Demokratie, die einige leichtsinnigerweise sogar noch ausbauen wollen. Aber mit solchen Modeerscheinungen gerät man bei Pröll an den Falschen. Wo das Volk mit seinen Marotten zu teuer kommt, da muss ökonomische Rotation her. Wer weiß, wer ihm nach seiner Selbstabschaffung als Bundespräsident (nur im Traum!) gefolgt wäre? "Persönlichkeiten aus der Regierung oder aus der Bundesversammlung" schweben ihm vor. Dass das mit einigen anderen Vorschriften der Verfassung nur schwer verträglich wäre, könnte ein Landeshauptmann wissen. Aber muss es ihn auch interessieren? Ihn doch nicht, wo man ihm die Chance, sich in der Hofburg einzusparen, so schnöde verweigerte.

Auch sonst findet die Redimensionierung der Demokratie im Sinne des Spargedankens begeisterte Anhänger. Gelingt es schon nicht, einen Bundesrat abzuschaffen, für den sich in Jahrzehnten keine vernünftige Funktion kreieren ließ, fehlt es nicht an Fantasien, wie man dessen funktionsloses Personal durch kaum weniger funktionsloses, aber anderweitig bezahltes ersetzen könnte. Und dass Regierungsmitglieder ihren Sparwillen dem Nationalrat aufzwingen wollen, indem sie für seine Verkleinerung plädieren, mutet im Geiste der Gewaltentrennung etwas seltsam an.

Da bauen sie vermutlich auf eine Stammtischklientel, die keine Ahnung hat, was im Nationalrat an Gesetzesarbeit, an Ausschussarbeit, an Arbeit in Untersuchungsausschüssen, die Korruption in Regierungskreisen durchleuchten sollen, zu leisten ist - unter anderem. Die Kontrollfunktion des Nationalrates ist wichtiger denn je. All diese Arbeit auf weniger Abgeordnete zu verteilen müsste vor allem die kleineren Fraktionen überfordern. Schon jetzt wird von Höchstrichtern oft die mangelhafte legistische Arbeit kritisiert. Mit weniger Personal wird sie mit Sicherheit schlechter. Stümperhafte Verkleinerungsvorschläge sind ein Bärendienst an der Demokratie, ein Schaden, der jeder Ersparnis spottet. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 27.01.2012)