"Mutiger Präsident oder Kamikaze-Präsident?", fragt sich "Midi Libre". Nicolas Sarkozy habe keine halben Sachen gemacht: "Er hat sich mächtig ins Zeug gelegt, um wieder ins Rennen um die Präsidentschaft zu kommen", lautet die Einschätzung der französischen Tageszeitung. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy neben der Mehrwertsteuererhöhung, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer angekündigt. Die Abgabe in Höhe von 0,1 Prozent soll ab August erhoben werden, kündigte er in einem Fernsehinterview an. Bis zu einer Milliarde Euro jährlich könne die Steuer einbringen, schätzen Regierungskreise.

Alte Idee neu aufgekocht

Die Debatte über eine solche Finanzmarktsteuer ist auf europäischer Ebene im Zuge der Krise wieder hochgekocht. Neu ist sie keineswegs. Ganz im Gegenteil: Die "Finanztransaktionssteuer" hat eine lange Geschichte, mit der der Name des US-Amerikaners James Tobin (1918-2002) untrennbar verbunden ist. Dem Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften des Jahres 1981 zu Ehren wird die Abgabe oft auch "Tobin Tax" genannt. Tobin schwebte eine internationale Steuer auf Devisentermingeschäfte vor. Er machte den Vorschlag erstmals 1972 in einer Vorlesung ("Janeway Lectures") in Princeton.

Tobin ging es nach dem Zusammenbruch des so genannten "Bretton-Woods-Systems" fixer Wechselkurse hauptsächlich darum, die Devisenmärkte zu stabilisieren. Den nationalen Zentralbanken sollte zinspolitischer Handlungsspielraum gegeben werden. Insbesondere stellte er in Frage, dass sich Wechselkurse auf unregulierten Devisenmärkten als Ergebnis rationaler Entscheidungen informierter Händler und entsprechend auf der Grundlage von Fundamentaldaten bilden. Die Wechselkurse würden sich vielmehr zum Großteil als Ergebnis der länderübergreifenden Spekulationen bilden, weshalb sie systematisch und dauerhaft von ihren fundamentalen Gleichgewichtswerten abweichen könnten. Dies führe wiederum zu ungleichen Wettbewerbschancen der einzelnen Staaten im Welthandel.

Investoren an Aktien binden

Tobin wies in einem Interview darauf hin, dass nicht er es war, der sich die später nach ihm benannte Steuer originär ausgedacht hatte. Schon der britische Ökonom John Maynard Keynes hatte 1935/36 eine Umsatzsteuer auf Aktiengeschäfte vorgeschlagen. "Die Einführung einer nicht unerheblichen Verkehrssteuer auf alle Transaktionen könnte sich als die brauchbarste Reform im Hinblick auf die Abschwächung der Vorherrschaft der Spekulation über Unternehmen in den Vereinigten Staaten, die zur Verfügung steht, erweisen", begründete er seine Idee. Investoren sollten damit dauerhafter an ihre Aktien gebunden werden. "Diese Idee übertrug ich 1971 auf Devisenmärkte", erklärte James Tobin.

Die "Bretton Woods"-Ära war vorbei, gleichzeitig wurden Geldtransaktionen immer häufiger elektronisch durchgeführt; Tobin sah mit diesem technologischen Sprung eine enorme Steigerung bei der Anzahl an Transaktionen einhergehen. "Ich wollte diesen Prozess verlangsamen, damit weniger spekuliert wird und die Umtauschkurse nicht so schwanken." Die Idee laut Tobin: "Bei jedem Umtausch von einer Währung in die andere würde eine kleine Steuer fällig, sagen wir von einem halben Prozent des Umsatzes. So schreckt man Spekulanten ab. Denn viele Investoren legen ihr Geld sehr kurzfristig in Währungen an."

Geldbeschaffung und Lenkungseffekt

Im Fokus vieler weiterer Überlegungen der jüngeren Vergangenheit stand aus gutem Grund zunehmend auch das fiskalische Potenzial einer Finanztransaktionssteuer. Die EU-Kommission hat etwa im Vorjahr im Finanzrahmen für 2014 bis 2020 die Einführung bis spätestens 2018 vorgeschlagen, um die Union zu finanzieren. Dennoch sollte damit auch ein Lenkungseffekt einhergehen und die Entstehung künftiger Finanzkrisen zumindest erschwert werden. Inwieweit ein europäischer Alleingang sinnvoll ist, darüber scheiden sich die Geister.

In Zusammenhang mit der aktuellen Krise kam auch die Forderung auf, Finanztransaktionen aus Gründen der Steuergerechtigkeit mit einer Abgabe zu belasten. Ein Motiv, dass unter anderem den Reihen der globalisierungskritischen Organisation Attac entstammt, die das Geld auch für Armutsbekämpfung und Entwicklungszusammenarbeit verwendet sehen will.

James Tobin sah zu seiner Zeit übrigens den Boden für eine solche Steuer nicht bereitet. Auf die Frage, ob die "Tobin-Tax" tatsächlich jemals kommen werde, beschied er 2001: "Keine Chance, fürchte ich. Die entscheidenden Leute in der internationalen Finanzszene sind dagegen." (rb, derStandard.at, 30.1.2012)