Zu einigen anderen hat die ÖVP nun auch noch das Problem Strache am Hals. In der nicht unberechtigten Angst, endgültig zur drittstärksten Kraft abzusinken, bemühte sie sich in der letzten Zeit zwecks Wahrung ihrer Regierungschancen nach der nächsten Wahl verstärkt um Geschäftsanbahnung nach rechtsaußen. Das läuft unter der euphemistischen Formel: Erstens reden wir mit allen gewählten - gemeint: mit allen im Nationalrat vertretenen - Parteien; zweitens fällt die Entscheidung über eine Neuauflage von Schwarz-Blau erst nach der Wahl, egal, was Strache bis dahin noch zur "Reichskristallnacht" einfällt. Schließlich soll eine eindeutige Festlegung in die Gegenrichtung zu jener, die Bundeskanzler Faymann eingeschlagen hat, die Wählerinnen und Wähler nicht schon vorher aufscheuchen.

Zur Rettung ihrer Strategie fordert die ÖVP nun eine Entschuldigung von Strache. Die wird sie nicht erhalten, und selbst wenn sie käme, wäre sie wegen vielfach erwiesener Unglaubwürdigkeit wertlos. Strache kann sich nicht entschuldigen, schon gar nicht nach seinen bisherigen Ausreden. Ein solcher Kniefall setzte seiner innerparteilichen Burschenherrlichkeit einen Dämpfer auf, der sich mit freiheitlichem Führertum nur schlecht verträgt. Strache will sich auch nicht entschuldigen. Eine wahnhafte Persönlichkeit, die tatsächlich glaubt, einen Orden, den ihr die Regierung aus schlechtem Gewissen wegen ordensmäßiger Selbsterhöhung in einem Aufwaschen mitspendierte, im echten Leben verdient zu haben, und die sich empört, dass der Bundespräsident nicht anruft, wenn er die Verleihung guten Gewissens über wer weiß wie viele Ballsaisonen hinauszögert - warum soll sich so jemand entschuldigen wollen?

Und schließlich: Strache braucht sich auch gar nicht zu entschuldigen. Denn so verlogen provokant sein Burschenballgeflüster auch war, hat es doch der Öffentlichkeit kein neues, kein anderes Bild von ihm und seiner Truppe vermittelt, als das seit langem gewohnte - ein Bild, das ein Viertel der Bevölkerung nicht davon abhält, ihn als einen wahren Vertreter seiner Interessen zu verkennen.

Es ist ja immer dieselbe alte Leier, von dem, was man noch wird sagen dürfen, wobei man leider zu 180 Prozent missverstanden wird, weil linkslinke Bosnigeln nur darauf lauern, etwas total aus dem Zusammenhang zu reißen. Solange ihm eine sich selbst lähmende Koalition die Wähler zutreibt, ist es nicht notwendig, mehr zu bieten als das, gewürzt mit einem kräftigen Spritzer Ausländer- und EU-Feindlichkeit. Obwohl man zugeben muss, dass die von ihm ergreifend geschilderte Szene, wie Scharen neuer Jüdinnen seine Heldenfrackbrust mit ihren Tränen netzten, desperat ob des reichskristallnächtlichen Treibens um die Hofburg, eine neue Qualität seiner Darstellungskunst bot.

Warum sollte er sich derlei künftig entgehen lassen? Und das ist das Grundproblem der ÖVP: Strache faselt zwar von einer Rolle als Kanzler, aber wäre er wirklich an mehr interessiert als an Verhetzung, würde er sich anders verhalten. Regieren bedeutet Verantwortung tragen, und das ist das letzte, was er will. Der Bundespräsident hat ihn darin nur bestätigt. (DER STANDARD; Printausgabe, 3.2.2012)