Wie immer das Sparpaket letztlich aussehen wird, sein reformatorischer Gehalt wird sich in engen Grenzen halten. Man muss die mutlose Zurückhaltung bei der Landwirtschaft, bei Erbschafts- und Schenkungssteuer in Relation zu dem fast schon an Fanatismus grenzenden Eifer sehen, mit dem Arbeitnehmer zu längerer Beschäftigung verdonnert werden sollen, unabhängig von der Realität eines Arbeitsmarktes, der ihre Arbeitsbedingungen laufend verschlechtert und sie möglichst früh ausspeit, um sie durch junge, möglichst freie Billigkräfte zu ersetzen - die vielgepriesene Qualifikation und Erfahrung egal. So richtig es prinzipiell ist, dass sich die lebenslange Arbeitszeit einer steigenden Lebenserwartung anpassen muss, so schönfärberisch nun das Geschwätz von der Anpassung der Arbeitswelt an ältere Menschen, mit dem künftig Betroffene animiert werden sollen, die Krot zu schlucken, die man Vermögenden unter dem Vorwand einer Schonung des Mittelstandes wieder einmal ersparen will.

Dass Menschen in die Frühpension gedrängt werden und daher oft auch drängen, ist ja keine neue Erscheinung. Die Möglichkeit, sie durch Adaptierung ihrer betrieblichen Umwelt in Arbeit zu halten, hätte es seit vielen Jahren gegeben. Geschehen ist in Österreich, vielleicht mit einigen Ausnahmen, das Gegenteil. Und den Schwärmereien von einer Umkehr ist zu misstrauen, schon deshalb, weil auf zunehmend internationalisierten Arbeitsmärkten das Outsourcen personeller Ressourcen künftig nicht mehr nur die Älteren betreffen, sondern sich generell verschärfen wird. Es wurde im Laufe der quälenden Pensionsdebatte nicht bekannt, wie man dem in Österreich gegenzusteuern beabsichtigt, und ob dazu überhaupt ein Wille besteht. Hauptsache: längere Arbeitspflicht!

Wie weit diese Debatte bisher an allem vorbeigelaufen ist, was nach einer längst fälligen Schlachtung heiliger Kühe aussehen könnte, lässt Ähnliches für die angeblich große Reform der österreichischen Demokratie befürchten, zu der da und dort seit geraumer Zeit nach dem Motto "Zwei Schritte vorwärts, einer zurück" Anlauf genommen wird. Warum sollte eine Koalition, die nicht einmal im Kampf gegen ausländische Ratingagenturen eine Zweidrittelmehrheit hinter sich zu versammeln weiß, eine solche für Verfassungsänderungen zustande bringen, die erst den Begriff Reform rechtfertigen könnten?

Auffällig ist da bereits jetzt die Neigung in den Koalitionsparteien, eine Reform der Demokratie mit einer Beschneidung der Volksvertretung zu beginnen. Während die Proponenten von "MeinOE" eine Stärkung und mehr Unabhängigkeit des Parlaments fordern, halten Vertreter von SPÖ und ÖVP eine Zurückstutzung des Nationalrates bei wachsenden Aufgaben für eine gute Idee. Ihr Motiv liegt in einer perversen Sehnsucht nach Nähe zum Volk: Dieses würde das Sparpaket lieber schlucken, "wenn die Politik auch bei sich ein Signal setzt". Ein solches Signal "der Politik bei sich" wäre ein Signal für Reform in die falsche Richtung, eine demokratiepolitische Sparbremse, von der man nur sagen kann: Kleiner kariert geht 's nicht mehr. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.2.2012)