Der Fasching eilt seinem Höhepunkt entgegen, Kärnten sowieso, "Österreich" hat seine Leserinnen und Leser für den Endkampf mit den Masken von Karl Heinz, Fiona und HC ausgestattet - nur noch ausschneiden musste man -, und in "Madonna" wurde vorbeugend Alles Lugner ausgerufen und erläutert, wieso der Ball der Bälle ohne Mörtel undenkbar wäre. In diesem Narrentreiben wollte auch der Autor des Zentralorgans des Neoliberalismus nicht fehlen, nur dass er Freitag die Konsumenten der "Presse" nicht mit Masken versah, sondern dieselben wieder einmal der politischen Linken vom Gesicht riss. Wäre Adolf Hitler heute führender Aktivist der Occupy-Bewegung? versuchte er dem "Presse"-Publikum schon im Titel ein lautes Jaaa! abzupressen, um im Untertitel zu der Sache zu kommen, die er nun einmal zu der seinen gemacht hat: Dass sich die Nationalsozialisten "Sozialisten" nannten, ist kein Etikettenschwindel, sondern Hinweis auf verwandtschaftliche Verhältnisse, deren Existenz heute wieder sichtbar wird.

Es ist schon aufschlussreich, wie manche Menschen die Geschichte zum Vehikel ihrer Alltagsinteressen machen wollen, kaum dass Worte wie Erbschafts- und Vermögenssteuer fallen. In Christian Ortner lösen solche Reizvokabel einen Pawlowschen Furor historicus aus, nach dem Motto: Wenn rechtsextreme Burschenschafter die neuen Juden sind, warum sollte sich dann in Werner Faymann nicht zumindest ein schneidiger Gauleiter verbergen? Noch dazu, wo es Ortner an glaubwürdigen Zeugen für seine Erkenntnisse nicht fehlt: "Die NSDAP verkörpert die deutsche Linke", hatte ein gewisser Joseph Goebbels 1931 nicht ganz zu Unrecht postuliert .

Also, wenn ein Joseph Goebbels das schon vor achtzig Jahren erkannte, muss es stimmen, denn der war bekannt dafür, dass er nie und nimmer etwas zu Unrecht postuliert hätte. Tatsächlich, wie ein Christian Ortner das Wort "tatsächlich" verwendet, verbindet einiges die beiden vorgeblich antagonistischen Lager: eine Neigung zu Kollektivismus und staatlicher Steuerung der Wirtschaft, einem allmächtigen Staat und der Geringschätzung des Individuums und seiner Rechte.

So ändern sich die Zeiten - bis neulich hätten die Ortners mit der Aufzählung dieser Tendenzen die politische Linke noch als Kommunisten entlarvt, aber entweder der Kommunismus war auch nur ein Verwandter des Nationalsozialismus, oder dieser Vergleich bringt 's irgendwie nicht mehr so richtig, jetzt muss der Adolf ran.

Goebbels ist aber nicht Ortners einziger Zeuge. Etwas ungelenk verbreitete die nicht ganz unbedeutende deutsche CDU-Politikerin Erika Steinbach jüngst via Twitter eine historische Kompakt-Analyse: "Die NAZIS waren eine linke Partei. Vergessen? NationalSOZIALISTISCHE deutsche ARBEITERPARTEI." Mag etwas ungelenk sein, was die eher unbedeutende deutsche CDU-Politikerin da verbreitet, ist es für Ortner doch eine Kompakt-Analyse. Was alles über die Tiefe seiner eigenen Kompakt-Analysen sagt. Nun ist es nicht so, dass er nicht auch etwas weniger ungelenke Analysten an der Hand hätte, wie etwa den Historiker Götz Aly, den er mit der Feststellung zitiert: "Wer den ,Befreiungskampf des palästinensischen Volkes' gerecht und links findet, wird in der Nazi-Welt Geistesverwandte treffen." Stimmt, und wer das nicht findet, auch. Hiesige Geistesverwandte aus der Nazi-Welt haben wir schon im Zelt Gaddafis, auf dem Schoß von Kadyrow, ja sogar bei jüdischen Hochzeiten in Amerika vorgefunden, eine Vielseitigkeit, die nicht eben überzeugend beweist, was Ortner als zwingend beweisen will, nämlich die verwandtschaftlichen Verhältnisse einer wolkig resümierten politischen Linken, unter die in einem Aufwaschen die SPÖ des Jahres 1957 - wählt Adolf! (Schärf) - ebenso fällt wie Attac und die amerikanische Occupy-Bewegung von heute, mit den Nationalsozialisten von vorgestern.

Dennoch muss man Ortner auch loben. Dass er die Neonazis, die in Deutschland fast ein Dutzend Menschen ermordet haben, nicht taxfrei der SPD zurechnet, ist ein schöner Beweis dafür, dass ihm nichts ferner liegt als Etikettenschwindel. Es geht ihm halt die Galle hoch, wenn er etwas von höheren Steuern für Reiche hört, auch wenn er die antikapitalistische Sehnsucht der SPÖ dabei weit überschätzt. Unterschätzt hingegen hat er dabei die verwandtschaftlichen Verhältnisse, die uns schon einmal eine schwarz-blaue Koalition beschert haben. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 14.2.2012)