Werte Parteiaustretende, in letzter Zeit vernehme ich ein häufigeres Austreten aus der sozialdemokratischen Bewegung beziehungsweise zwecks rapiderer Erfolgschancen sogar Überlaufen und möchte euch auf offenem Wege darauf ansprechen.

Aus aktuellem Anlass sind die Worte von Rudolf Fußi auf derStandard.at Motivation für dieses Schreiben. Ich habe auch auf den Facebooklink Fußis mit dem öffentlichkeitswirksamen Schreiben samt gespickter Formulierungen geantwortet und die Frage nach der Lösung wurde nur mit einem mürrischen "ich glaub, die SPÖ kann man von innen nicht ändern" beantwortet. Ein marxistisches Zitat war daraufhin meine Antwort und das gleichzeitige Ende dieses Dialoges...

Ich respektiere Fußis Schritt und möchte keinesfalls, schon gar nicht im Namen der Sozialdemokratie, da ich mir dessen nicht würdig wäre, jemand "anpatzen", aber persönliche Kritik muss innerhalb einer Bewegung und daher auch außerhalb möglich sein.

Kurz zu meiner Person: ich durfte einen steilen sozialistischen Weg nach oben erfahren und war schon mit 21 Jahren Vertrauensperson (Betriebsrat) eines sehr heiß diskutierten Unternehmens (Telekom Austria AG) sowie GPF Bundesjugendvorsitzender. Sensibilisiert hat mich das Leben meiner Mutter, welches mich nach ihrem Ableben eindeutig für den Weg eines ArbeiterInnenvertreters inklusive "Bella Ciao" motiviert hat. Lange hat dieser Marsch durch die Institutionen nämlich nicht gedauert: wegen Kapitulation nach Lehrwerkstättenschließung. Der Blick in den Spiegel fällt dafür leicht. Nach einvernehmlicher Kündigung aufgrund ideologischer Unvereinbarkeit inklusive kurzfristigem Zusammenbruch des Weltbildes bin ich mittlerweile unter den Studierenden, vertrete aber dennoch bei Diskussionen eifrigst die Werte der Sozialdemokratie und versuche den Spieß umzudrehen, in dem ich den Vorwurf mache, warum man sich bei verständlicher - aber bitte konstruktiver - Kritik nicht innerhalb der Bewegung einbringt bzw. immer was Neues suchen muss.

Den jetzt aufkommenden, zweifelnden Gedanken möchte ich entgegenbringen, dass in Linz und Wien (Sektion 8) bekannte, aufmüpfige Organisationsteile gegen "Bobo"-Entwicklungen für sozialistische Politik einstehen und diese leben. Im Westen darf ich mich in Innsbruck stolz zur Sektion Dreiheiligen zählen.

Bei aller Kritik an Parteien und Entwicklungen in jenen, traue ich mich zu keinem Schluss zu kommen, wenn ich nicht ihm selben Ausmaß Fehler an mir und meinem Mitwirken suche. Schon gar nicht kann ich Entschlüsse anderer werten. Ich empfinde darüber hinaus aber diese polemischen Äußerungen samt medienwirksamer Darmentleerung als reine Selbstprofilierung. Das ist der gleiche Blödsinn wie so manches Gesetz, das die SPÖ beschließt, aber die anderen sind ja immer böser!!

Man kann die (ehrenamtliche) Arbeit für die Ideale der sozialistischen Bewegung in der Demokratie auf die unterschiedlichsten Arten leben. Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind die Grundpfeiler eines kleinen Buches, welches das Programm und die Geschichte beinhaltet. Beim Lesen ist klar, in welche Richtung der Weg (wieder) zu gehen hat und wie Forderungen umgesetzt wurden. Meistens war das nicht bei Glas Sekt oder Rotwein mit Kanzler, NR-Präsidentin und zukünftigem Kanzler der Fall, sondern nach langer, mühsamer Arbeit von unten.

Zugegeben: zehn Jahre Parteimitgliedschaft habe ich noch nicht erreicht, aber im September darf ich mich als zehn-jähriges Mitglied des österreichischen Gewerkschaftsbundes zählen. In dieser Zeit habe ich öfters persönlich wegen Entwicklungen der ArbeiterInnenbewegung gelitten.

Ein Zeugnis dessen, dass ich die Arbeit mit der Überzeugung "Richtige sozialistische Arbeit entflammt die Herzen, welche rot ist und links liegt" sehr ernst genommen habe. Meine Mitgliedschaft bestärkt meine Überzeugung(skraft) in Gesprächen bei voranschreitendem Fehlkurs sowie andauernder Mitgliedschaft. Nicht, weil ich der sozialdemokratische "Schläfer" sei, sondern, weil ich mit der Geschichte im Rücken, wissend, dass Sozialdemokratie Politik für die Mehrheit der Bevölkerung ist, reinen Gewissens agieren kann und darüber hinaus das sozialistische Denken fördern will. Es geht hier nicht um persönliche Erfolgschancen. Ein guter, wachsender Kreis muss sich der sozialistischen Bibeln inklusive Karl Marx widmen und mit gutem Beispiel vorangehen, um zu zeigen wie Politik funktioniert und proletarische Massen (wieder) begeistern kann. Zurück in die Zukunft mit dem Linzer Parteipogramm!

Zum Schluss möchte ich Betroffenen ebenfalls den persönlichen Rat an Fußi nahelegen, Viagra zu konsumieren, wenn es Probleme bei der Standhaftigkeit geben soll oder sind wir nur "so" solidarisch, dass der Weg nur in guten Zeiten gemeinsam beschritten wird? "Freundschaft?!" (Leserkommentar, René Fischer, derStandard.at, 14.2.2012)