Andreas Vitasek in "Lisa".

Foto: Rabenhof/http://pertramer.at

Wien - Dramatisierungen gehen oft daneben. Das Rabenhof Theater lieferte am Dienstagabend ein Gegenbeispiel: Die Bühnenfassung von Lisa ist besser, ungleich besser, dichter und zwingender als der doch ziemlich geschwätzige Roman von Thomas Glavinic.

Der Kabarettist und Schauspieler Andreas Vitásek hatte Thomas Gratzer, den Hausherren, von seinem Projekt erst überreden müssen. Aber die Spielfassung überzeugte diesen schließlich. Denn Vitásek kürzte in Zusammenarbeit mit dem Dramaturgen Matthias Jodl die 200 Seiten auf das Wesentliche. Vom schnoddrigen Plauderton blieb fast nichts übrig.

Glavinic nahm bei einem höchst mysteriösen Kriminalfall Anleihen - und kombiniert diese mit der Grundsituation von Stanley Kubricks Horrorfilm Shining mit Jack Nicholson: Ein Mann, der sich Tom nennt, hat sich mit seinem Sohn Alex in einem verlassenen Landhaus verbarrikadiert. Im Laufe einer heißen Sommerwoche erklärt er den Zuhörern seines Livestreams im Internet ziemlich umständlich, warum er sich einbildet, das nächste Opfer einer bestialischen Verbrecherin zu werden, der er den Namen Lisa gegeben hat. Immer wieder sieht er nach dem Sohn, er berichtet, was er tagsüber tat - und nebenbei schnupft er jede Menge Koks.

Das Setting könnte wie bei Talk Radio sein: Ein Mann spricht ins Mikro. Doch Thomas Gratzer und Ingo Pertramer (der Fotograf steuerte die Idee für das Bühnenbild bei) gehen zum Glück einen abstrakteren Weg: Andreas Vitásek sitzt, weiß gewandet, in einer weißen Box, am weißen Tisch steht ein weißer Apple. Assoziationen zu einer Anstaltszelle oder einer Verhörsituation drängen sich auf. Als Tom mit Fast-Glatze, die eher an Gratzer erinnert als an Glavinic, ist Vitásek zumindest ein Gefangener seiner selbst, völlig isoliert - und diese Einsamkeit macht ihm zu schaffen: Sie macht ihn geradezu irre. Zu wem spricht dieser Mann mit dem Mikrofon an der Wange? Hört überhaupt jemand seinen Fiebermonolog? Oder ist alles nur Einbildung? Jedenfalls: Es ist einfach kompliziert. Und so verzerrt Vitásek mit jeder Prise Kokain sein Gesicht mehr zur Grimasse eines Wahnsinnigen.

Sicher, mitunter gibt es höchst amüsante Passagen. Wenn Tom von einer Freundin erzählt, die er erotisch findet, oder wenn er Weinkenner karikiert. Aber insgesamt hat dieser Seelenstriptease, konzentrierte 80 Minuten lang, etwas ungemein Beklemmendes. (Thomas Trenkler, DER STANDARD - Printausgabe, 16. Februar 2012)