Vor hundert Jahren war das, was Griechenland heute erlebt, durchaus üblich. Da waren fast alle Länder der Welt auf dem Goldstandard. Jene, die überschuldet und nicht mehr wettbewerbsfähig waren, mussten die Löhne und Preise so lange senken, bis sie wieder genug exportieren konnten, um die Auslandsschulden zu bezahlen.

Jahrelange, ja sogar jahrzehntelange Rezessionen mit anhaltender Deflation gehört zur wirtschaftlichen Realität.

Politisch waren solche Rosskuren durchsetzbar. Es gab noch keine allgemeinen freien Wahlen, Gewerkschaften waren noch schwach, und Demonstrationen wurden brutal niedergeschlagen.

Es gibt gute Gründe, dass der Goldstandard, der keinerlei Auf- und Abwertungen erlaubt, aufgegeben wurde. Bei einem flexibleren Wechselkurssystem kann die Wettbewerbsfähigkeit durch Wechselkursänderungen wieder gewonnen werden – entweder durch geregelte Abwertungen oder durch die Kräfte des freien Devisenmarktes.

Das ist weitaus weniger schmerzhaft als der Versuch einer internen Abwertung, den Griechenland derzeit betreibt. Die Löhne und Preise würden genauso fallen, ebenso alle inländischen Vermögenswerte. Aber kein Grieche würde auf die Straße gehen, um dagegen zu protestieren. Die meisten würden es kaum merken. Bloß Importe wären plötzlich viel teurer – und Auslandsreisen kaum erschwinglich.

Weder Island noch Großbritannien haben durch den Kursverfall ihrer Währungen infolge der Finanzkrise 2008 besonders gelitten. Im Gegenteil: Die Exportwirtschaft hat enorm profitiert.

Mit der Währungsunion wurde in Europa wieder eine Art Goldstandard geschaffen. Und wenn Griechenland im Euro bleiben will, hat es keine andere Chance, als seine brutalen Spar- und Kürzungsmaßnahmen durchzuziehen.

Aber je schlechter die Aussichten dieses Kurses werden, desto verlockender wird die Alternative, die ich ebenso wie viele andere schon skizziert habe: Ausstieg aus dem Euro, dramatische Abwertung der neuen Währung und eine Insolvenz, bei der dem Staat einen Großteil seiner Schulden erlassen werden würde.

Die Staatspleite würde die griechischen Banken, die sehr viele Staatsanleihen halten, zwar in den Abgrund reißen, aber dort werden sie auch durch den von der EU geplanten „freiwilligen“ Schuldenschnitt landen. Und wenn Griechenland wieder die Kontrolle über die eigene Geldpolitik gewinnt, dann kann die Zentralbank einfach Geld drucken und so den Banken aushelfen.

Es ist bewundernswert, mit welcher Entschlossenheit die griechischen Eliten am Euro festhalten. (Noch besser wäre es, wenn sie mit der gleichen Konsequenz die Sanierung durchgezogen hätten.) Aber dieser Weg ist ein Fehler.

Was einst Staaten durchziehen konnten und zuletzt Lettland zu einem sehr hohen Preis gelungen ist – die interne Abwertung der Löhne und Preise bei einem festen Wechselkurs – dafür ist das heutige Griechenland mit seinen starken Gewerkschaften und der fehlenden Solidarität in der Gesellschaft nicht geschaffen.  

Die externe Abwertung über eine eigene Währung wäre der viel leichtere und bessere Weg.