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Viele Öffi-Nutzer "wissen nicht, was sie tun".

Foto: AP Photo/Gero Breloer

So umweltfreundlich und kostensparend es sein mag, mit den Öffis unterwegs zu sein, so aufreibend sind manche Umgangsformen der MitfahrerInnen: Wenn man bei der Station Stephansplatz nicht einmal den Fuß aus dem Waggon bekommt, weil bereits zehn Leute in die überfüllte U-Bahn drängen. Oder wenn man umgekehrt einen Zentimeter Platz zum Einsteigen hat, weil sich die Fahrgäste bei der Tür drängen, obwohl die Mittelgänge menschenleer sind.

"Die meisten lernen nicht, wie man sich verhalten muss", sagt Verkehrspsychologin Bettina Schützhofer von der Mobilitätsplattform "sicher unterwegs". Es gebe Untersuchungen, dass die Schulungen der Wiener Linien für Schulklassen greifen würden. "In den Gegenden, in denen die Kinder eine Einweisung in Sachen gutes Benehmen bekommen, kommt es zu weniger Unfällen im U-Bahn-Bereich", so Schützhofer.

Menschen denken nicht mit

Den Grund für das "schlechte Benehmen" sieht die Verkehrspsychologin darin, dass die Menschen "nicht mitdenken". Sie würden denken, dass sie Zeit sparen, wenn sie möglichst schnell in die U-Bahnen drängen. Das Gegenteil sei allerdings der Fall: "Wenn die Leute in den nächsten Waggon einsteigen würden, wäre es effektiver." Vor allem ältere, jüngere und schwächere Fahrgäste hätten Angst, dass sie bei Stationen nicht rechtzeitig aussteigen können. Deshalb würden sie sich rund um die Türen scharen. Laut Schützhofer müsste dabei ein Umdenken stattfinden: "Ich bin mir aber sicher, dass viele gar nicht wissen, was sie tun. Sie machen das unbewusst."

Eine der Lösungen findet sich in vielen deutschen Städten, zum Beispiel in Berlin. Dort darf nur noch die vordere Tür der Busse zum Einstieg genutzt werden. Die hinteren Türen werden als Ausgang verwendet. Neben dem Effekt, dass sich das Drängen und auch Schwarzfahren in Grenzen hält, würden die Fahrgäste automatisch "nach hinten durchgehen". Solch eine Umstellung wäre für die Verkehrspsychologin auch in Wien wünschenswert: "Das kostet nix und dauert nicht lange."

Lieber alleine stehen als gemeinsam sitzen

Bemerkenswert ist auch immer wieder die Tatsache, dass viele Menschen lieber stehen, als sich zu jemandem auf einen "Viererplatz" in der U-Bahn zu setzen. Schützhofer erklärt das folgendermaßen: "Jeder Mensch ist unterschiedlich empfindlich, was den intimen Raum betrifft." Dadurch, dass es in den Öffis schnell sehr eng werden kann, wird diese Grenze überschritten, was wiederum zu häufigeren Auseinandersetzungen führt. Um dieses fremde Eindringen in den intimen Raum zu vermeiden, würden viele Leute es vorziehen, alleine zu stehen, statt gemeinsam zu sitzen.

Übrigens: In Umfragen unter PendlerInnen wird die fehlende Rücksichtnahme anderer Fahrgäste nur selten als Problem genannt. Hierbei sind "Wind und Wetter" und "zu teure Fahrkarten" die Hauptkritikpunkte. Wien liegt laut Schützhofer rein preislich im guten Mittelfeld. Berlin sei hierbei die teuerste Öffi-Stadt. (Bianca Blei, derStandard.at, 21.2.2012)