Andreas Leikauf im Atelier: "Ich revoltierte ein wenig gegen das Elternhaus, beim Bundesheer, an der Akademie - und mitunter gegen den Kunstbetrieb. Wenn mich etwas stört, dann sag ich es eben."

Foto: Standard/Heribert Corn

DER STANDARD-
Schwerpunktausgabe Gerechtigkeit

Wien - Die Acrylbilder von Andreas Leikauf sind markant, reduziert, pointiert. Und sie stechen ins Auge. Denn der Steirer beschränkt sich bei der Grundierung in der Regel auf zwei übereinandergelagerte Farben, die zusammen einen leuchtenden Farbton ergeben. Darauf malt er seine " trivialen" Szenen mit mattschwarzer Dispersion. Und immer fügt er einen Slogan, eine Phrase, einen Aphorismus, ein Sprachspiel ein.

Warum er Texte integriert? "Weil mir das bloße Bild zu wenig ist", erklärt Leikauf. "Ich dachte mir, ich muss das kommentieren, was ich da mache. Manchmal ist das, was draufsteht, eine Beschreibung von dem, was zu sehen ist, oder das Gegenteil davon, oder es ist ein Kommentar an mich selbst oder an den Betrachter oder an den, der im Bild zu sehen ist. Ganz unterschiedlich."

Er thematisiert Willkür und Ungerechtigkeit, Politik und zwischenmenschliche Beziehungen, er gibt Durchhalteparolen aus, stellt infrage und ruft zum Widerstand auf. Revolution ist ein wichtiges Thema für ihn - auch aufgrund eigener Erfahrungen: "Ich revoltierte ein wenig gegen das Elternhaus, beim Bundesheer, an der Akademie - und mitunter gegen den Kunstbetrieb. Wenn mich etwas stört, dann sag ich es eben. Auch wenn es nicht immer zu meinem Vorteil ist."

In seinen Katalogen vermerkt Leikauf nur, 1966 in der Obersteiermark geboren worden zu sein. Denn in einer Zeitung war einmal vom " Judenburger Künstler" die Rede, was Leikauf als nicht richtig empfand: " In Judenburg ist das Krankenhaus, in dem ich auf die Welt gekommen bin. Aber aufgewachsen bin ich in Murau. Als ich acht war, sind die Eltern nach Graz gezogen. Mein Vater arbeitete für die Landesregierung. Dann wurde er Bezirkshauptmann. Und so kam ich mit 13 nach Knittelfeld. Das war hart."

Die Flucht nach Wien

Leikauf wusste damals nur, dass er keinen "bürgerlichen" Beruf ergreifen will. Und er hatte Glück: "Zur Kunst kam ich durch einen engagierten Zeichenlehrer, der mich gefördert hat. Franz Schicho brachte einige Schüler an die Akademie nach Wien. Aber irgendwann hat er damit aufgehört, weil er sah, wie schlecht es den meisten Künstlern geht."

Leikauf interessierte sich aber auch für Rockmusik und Jazz. Er hatte erste kleine Ausstellungen, gab seine ersten Konzerte. Den Eltern war das gar nicht recht. "Nach der Matura bin so schnell wie möglich nach Wien geflüchtet."

Er landete bei Markus Prachensky an der Akademie der bildenden Künste - und war alsbald frustriert: "Er wollte immer nur, dass alle malen wie er, nur schlechter. Und wer sich nicht gefügt hat, ist rausgeflogen. Man durfte nur abstrakt malen, vor allem in Rot, hat kein Schwarz und kein Weiß verwenden dürfen. Im letzten Jahr hab ich genervt Prachenskys Bilder einfach kopiert."

1989 machte Leikauf, der nebenbei in einer Akademie-Band spielte, das Diplom. "Ich wollte danach etwas ganz anderes versuchen. Denn die Malerei hat mich überhaupt nicht mehr interessiert. Ich bin zur Aufnahmsprüfung bei Bruno Gironcoli gegangen - mit zwei selbstgebauten Musikinstrumenten, auf denen ich ihm etwas vorgespielt hab. Das hat ihm derart gefallen, dass ich dann bei ihm vier Jahre Bildhauerei studiert habe."

Über den Freibord-Herausgeber Gerhard Jaschke, der an der Akademie Literaturgeschichte unterrichtete, lernte Leikauf unter anderem den Verleger Werner Herbst kennen. Und dieser gab ihm den Auftrag, einen Band mit Speisegedichten von Standard-Kulturredakteur Ronald Pohl zu illustrieren. ein pastete das bissen erschien 1993.

Weg von der Malerei!

Die erste große Einzelausstellung hatte bereits ein Jahr zuvor in der Galerie Würthle stattgefunden, die Hans Dichand, dem 2010 verstorbenen Herausgeber der Kronen Zeitung, gehörte und von seiner Tochter Johanna geleitet wurde. "Frau Dichand hat zwar sehr viel verkauft, wollte dann aber nichts mehr mit mir zu tun haben. Sie warf mir vor, Punks zur Vernissage eingeladen zu haben."

Die Zusammenarbeit hätte ohnedies keine große Zukunft gehabt. Denn Leikauf setzte sich kritisch mit der Krone auseinander: Er fälschte die Schlagzeilen auf den gelben Plakaten vor den Trafiken und änderte auch das Logo ab. "Heute in der Klonen Zeitung" , stand auf einem in großen Lettern. "Haider-Rücktritt!! ,Ich bereue alles.' Wird FPÖ aufgelöst?

"In einer anderen Aktion versah Leikauf Konservendosen mit Etiketten, auf denen die Worte "Pro-bleme" und " Lösungen" standen, und stellte diese beim Hofer in Regale und beim Meinl in die Auslage. Ohne es beabsichtigen zu wollen, wurde aus Andreas Leikauf ein Konzeptkünstler: "Das Motto war: Weg von der Malerei! Ich wollte keine abstrakten Bilder mehr malen, die einfach nur dekorativ sein sollen, wo es um nichts geht. Ich wollte mich mit meiner Umgebung auseinandersetzen, mit der Welt der Medien und der Wirtschaft."

Mit seiner Kunst war aber kein Geld zu verdienen. "Ich hab mich mit allen möglichen Jobs über Wasser gehalten. Irgendwann erstellte ich eine Liste mit Dingen, die ich dringend brauche. Ich verteilte sie im Bekanntenkreis. Und wenn mir jemand etwas geschenkt hat, hat er einen Kartoffeldruck bekommen, auf dem das Mitgebrachte dargestellt war." Die Liste umfasste u .a. zehn Rollen Toilettenpapier, zwei Telefonwertkarten, eine Kiste Mineralwasser, zwei Wärmflaschen, fünf Kilo Nudeln, drei Flaschen Rotwein, zwei Topfpflanzen, 20 Postkarten, einen Farbfernseher und zehn Zeichenblöcke. "Ich habe wirklich alles bekommen", erzählt Leikauf. Stella Rollig, nun Direktorin des Lentos in Linz, steuerte die erbetenen Socken bei und Wolfgang Zinggl, nun Kultursprecher der Grünen, einen Sack Obst.

Eine Zeit lang malte Leikauf auch Briefmarken. Sie wurden als Wertzeichen akzeptiert - und abgestempelt. "Ich musste natürlich zuerst herausfinden, wo die dümmsten Postler sitzen. Und die Farben mussten ungefähr stimmen, am besten funktionierten gedeckte Braun-Grün-Töne. Irgendwann hab ich das Projekt aber aufgegeben." Denn der Aufwand war riesig, der Gewinn minimal. " Geldfälschen wäre sinnvoller, ist jedoch noch schwieriger", meint Leikauf.

Aber er zeichnete sich zumindest seine erste Million: Ab 1994 verzierte er mehr als 1000 Banknoten mit comicartigen Köpfen und verwendete recht sonderbare Beträge, zum Beispiel 1500 Schilling. 1999, als die Serie beendet war, wurde Leikauf zusammen mit dem Komponisten Beat Furrer, dem Dramatiker Händl Klaus und dem Bildhauer Michael Gumhold zu den Künstlerwochen ins Stift St. Lambrecht eingeladen. "Da meine Familie aus St. Lambrecht kommt, hat mich das gefreut. Ich nahm mir vor, wieder zu malen. Und ich hatte das Bedürfnis, Texte einzubauen. Ich verwendete nur das, was ich in einer Zeitung oder auf der Straße sah, eben alles, was mir aufgefallen ist." Er malte zum Beispiel eine friedlich kauende Kuh auf der Weide mit dem Schlachtruf "Born to be wild" im Fell. "Das Malen hat mir plötzlich Spaß gemacht. Und die Bilder haben ganz anders ausgeschaut als das, was ich an der Akademie machen musste."

2001 folgte die erste Ausstellung im Artlab von Ernst Hilger. Im Katalog Have a nice day! veröffentlichte Leikauf einen programmatischen Text, der noch heute gilt. "Die uns umgebenden Bilder sind in ihrer Masse absolut trivial und gleichwertig (so wie auch im Fernsehen alles zur Unterhaltung wird, egal ob Kriegsbericht oder Werbespot.) Ein paar wenige Bilder verankern sich als Ikonen im kollektiven Bewusstsein. Der Rest verschwindet wieder. Mich interessieren diese Wegwerfbilder, und ich versuche sie festzuhalten und zu recyceln. Ich bevorzuge dabei die Malerei als vergleichsweise einfaches und langsames Medium."

Sein Ausgangsmaterial findet Leikauf in Zeitungen und Zeitschriften: "Ich schau einfach beim Morawa alles durch und kaufe die Magazine, in denen ich etwas entdecke. Egal, was es ist: Mode, Zeitgeist, Musik." Aus dem Internet nimmt er keine Bilder: "Das müsste ich ja erst ausdrucken." Und er fotografiert auch keine Szenen: "Es gibt eh schon alles. Nur Landschaften erfinde ich manchmal. Und jedes Jahr male ich ein Blumenbild. Ich dachte mir: Ein Blumenbild pro Jahr ist okay. Weil mir das aber so viel Spaß macht, male ich es jetzt immer schon am 1. Jänner."

Möglichst banale Bilder

Leikauf verwendet nie Fotos, die einen künstlerischen Duktus haben: "Ich nehme möglichst banale Bilder." Er sucht sich in der Regel einen Ausschnitt aus und ändert ihn ab. Sollte auf diesem eine bekannte Persönlichkeit zu erkennen sein, macht er sie unkenntlich. Auf dem Gemälde May the worst one win, im ALBUM abgebildet, sieht man nur zwei gestikulierende Hände. Es sind jene von Wolfgang Schüssel. Gerne verwendet Leikauf Fotos von Demonstrationen: "Denn in die Transparente kann man was ganz anderes reinschreiben.

"Beim Grundieren weiß er zumeist noch nicht, welches Bildmaterial er verwenden wird. Und er weiß daher auch noch nicht, wie er die Szene kommentieren soll - außer bei den Gemälden mit weißer Schrift. Denn da muss er die Buchstaben beim Auftragen der schwarzen Farbe aussparen. Oft steht er dann eine Stunde vor dem Bild und überlegt den Text, den Slogan, die Behauptung. Mittlerweile gibt schon mehr als 1000 Bilder. "Oft muss ich im Computer nachschauen, ob ich den Titel eh noch nicht verwendet hab."

Es gibt zwar ein paar Bilder mit deutschen Titeln, meistens aber verwendet Leikauf das Englische. "Weil es kürzer ist. Und weil die Phrasen, die ich verwende, einfach besser klingen. Und man wird woanders auch verstanden."

Fortsetzung folgt

Auf den internationalen Markt schiele er aber damit nicht. Und es sei auch nicht sein Ansinnen, mit den trashigen, "Pulp"-artigen Bildern in der Tradition der Pop Art zu stehen. "Andy Warhol bediente sich, wie ich es tue, der Bilder. Aber er porträtierte Stars", sagt Leikauf. "Für ihn war die Oberfläche alles; was darunter ist, interessierte ihn nicht. Und genau das will ich vermeiden. Die Oberfläche hat mich schon an der Akademie gestört: Da durfte man eben nichts ins Bild reinschreiben - und man durfte nichts kritisieren. Das hasste ich."

Die jüngste Ausstellung, Play my game, fand erst kürzlich, im November 2011, bei Hilger in der Dorotheergasse statt. Wie bei jedem seiner Kataloge steht am hinteren Umschlag: "... to be conti-nued ..." Sollte ihm wider Erwarten irgendwann einmal nichts mehr einfallen, bleibt die Musik: Nebenbei tritt Leikauf, Hobbyfußballer und Vater einer elf Monate alten Tochter, als DJ auf.

Und in der Band Mopedrock spielt er Gitarre und Violine. Ihr erster Longplayer mit dem vieldeutigen Titel Vasistas, vor einem halben Jahr veröffentlicht, war für STANDARD-Musikredakteur Karl Fluch nachgerade ein "Spitzenalbum". Denn Mopedrock krachen, wie er schrieb, "mit scharfen Gitarren, Schepperschlagzeug und Jakob Ortis' emphatischem Gesang im 2CV die Champs-Élysées runter, den Stinkefinger aus dem Fetzendachl gestreckt". Dass Andreas Leikauf das Cover gestaltete, versteht sich von selbst. (Thomas Trenkler, DER STANDARD - Printausgabe, 25./26. Februar 2012)