Es ist dieses Kommen und Gehen, das die Volkspartei an manchen Tagen als einen fast so lebendigen Organismus wie ihren Koalitionspartner im Bund erscheinen lässt. Dieses Wochenende war es der Abgang des allzu kräftig amtierenden Tiroler Landesrates Christian Switak und der Einstieg des nicht amtierenden Wiener Stadtrates Manfred Juraczka in den Job eines lokalen Parteiobmannes. Wie die Dinge in Zeiten wie diesen liegen, sollte das Schicksal des einen den anderen darob frohlocken lassen, dass er der Bürde eines städtischen Amtes enthoben ist, dräuen doch mit der Innehabung eines solchen Gefahren, die Politiker in besseren Zeiten nicht einmal ignorierten, geschweige denn als Bedrohung wahrnahmen.

"Nehmen Sie keine Einladungen von Freunden an", verabschiedete sich Switak laut "Presse" weiser aus dem Amt, als er es angetreten hatte. Vor allem dann nicht, wenn sich die Interessen der "Freunde" mit den politischen Verantwortlichkeiten des Eingeladenen kreuzen. Dass er sich selbst bestätigte, "zu jedem Zeitpunkt rechtlich und moralisch einwandfrei agiert" zu haben, gehört inzwischen zum paläolinguistisch programmierten Politikerrepertoire und wirkt nur im Kontrast zu dem dann trotzdem vollzogenen Rücktritt originell.

Ob Juraczka - von der "Presse" als "eine Herausforderung für jedes Lektorat" sanft problematisiert - Freunde beziehungsweise Einladungen von solchen angenommen hat, war überraschenderweise in der Berichterstattung über seinen kometenhaften Seitensprung in die Kommunalpolitik kein Thema. Das fiel auf, kann man sich doch einen ÖVP-Politiker, der nicht mit einem Schießgewehr durch die Umgebung Luisings trampelt, heutzutage kaum noch vorstellen. Dabei wäre das in seinem Fall nicht einmal ein Problem, da er kein Amt, sondern lediglich ein masochistisches Hobby auszuüben beabsichtigt. Das aber mit aller bürgerlichen Verve!

In diesem Sinne konnte der "Kurier" aus "seiner von den Delegierten bejubelten Rede" den denkwürdigen Aufruf zitieren: "Wir müssen eine bürgerliche Alternative zur vereinigten Linken von Rot-Grün werden", womit er die Frage aufwarf, was die Wiener Volkspartei bisher anderes war als das "Attac" der Döblinger Regimenter. Von der Kühnheit seiner Forderung mitgerissen, schloss Juraczka die FPÖ gleich in die "vereinigte Linke mit ein" und "bezeichnete sie sogar als 'dritte linke Kraft'", womit er den Koalitionsfantasien mancher ÖVP-Politiker frech einen Dämpfer aufsetzte.

Aufkommende Zweifel an seiner Person versuchte er mit dem Hinweis auf seine Herkunft zu ersticken. "Ja, von wo soll ich sonst kommen? Vom Imageberater? Der Personal-Agentur? Aus der Wundertüte?" Und mit den Zweifeln erstickte er auch alle Hoffnung: "Ich komme aus der ÖVP und bin darauf stolz". Das vor Delegierten, die von einem Phönix aus der "Wundertüte" träumten.

Manche aber auch von Sebastian Kurz, wie die "Kronen Zeitung" Sonntag ihre späte Begleitmusik zum Parteitag spielte. "Sie sollen sich mit Händen und Füßen gewehrt haben, Wiener ÖVP-Obmann zu werden. Stimmt das?" wurde der Parteiephebe gefragt. Was er inzwischen mit der Routine eines altgedienten Politgauls abwehrt. "Ich glaube, dass man immer das machen sollte, was einen persönlich begeistert, wo man etwas bewegen kann, aber man sollte auch immer nur das tun, was man selbst für richtig hält." Zu spät für Juraczka!

Aber eines hat Juraczka gleich richtig gemacht. Er ließ sich vor seiner Wahl plakatieren, und er inserierte nach der Wahl sofort in der "Kronen Zeitung". "Wer nach links schaut, sieht Belastungen und Machterhalt. Wer nach rechts schaut, sieht Angstmache und Populismus. Wer sich nach vorne orientiert, sieht Kompetenz, Vernunft und neue Ideen, um Chancen in Wien zu erkennen und zu nützen: Ihre ÖVP Wien." Und um zwischen links und rechts, hinten und vorne alles klar zu machen, hatte er Freitag mit "Heute" seine tiefe Erkenntnis geteilt, "die Grünen sind Spießer".

In der "Presse" kommentierte Rainer Nowak Juraczkas inserierte Fantasien so: "Die aktuelle Wiener Rest-ÖVP ist das nicht - nämlich eine bürgerlich-liberale Partei -, sie ist ein geschlossenes System von und für Funktionäre(n), die sich selbst und gegenseitig möglichst lange beschäftigen. So gesehen kann Herr Juraczka nur positiv überraschen. (Aber das haben wir von Christine Marek auch geschrieben.)" Und als persönlichen Trost: "Den Nationalratswahlkampf in Wien ... wird Sebastian Kurz anführen." (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 28.2.2012)