"Mit einem Freestylebrett hat man auf kompakter Piste überhaupt keinen Halt und eiert ziemlich herum": Julia Dujmovits.

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"Ich werde versuchen, so zu fahren, wie ich es immer mache: nicht taktieren und Punkte zählen, sondern voll fahren und versuchen, das Rennen zu gewinnen."

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"Das Rennen am Jauerling war super organisiert, da kamen über 5.000 Zuschauer und man hat gesehen, dass es funktioniert. Es kommt eben darauf an, wie man das Rennen vermarktet und wie viel im Vorfeld in Werbung investiert wird."

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"Ich muss nicht unbedingt jeden Trend mitgehen. Mir ist wichtig, dass es mir taugt und ich mich wohlfühle."

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Raceboarderin Julia Dujmovits kommt aus dem Burgenland, hat den Sport aber nicht dort erlernt. Die aktuell Fünfte im Gesamtweltcup ist "manchmal geflasht", dass sie so schnell ist. Vor dem Rennen auf der Rampe in Moskau erklärt sie, wie es zu teils extremen Zuschauerschwankungen kommt, sie berichtet als Heeresleistungssportlerin über "die andere Welt" beim Bundesheer und verrät Überlegungen bezüglich Innovationen im Rennzirkus. Vermutlich war es Schicksal, dass Dujmovits die Seilbahnkatastrophe im Jahr 2000 in Kaprun überlebt hat. Die Zeit danach hat sie jedenfalls "stark geprägt". Warum sie gerne in Hörsälen sitzt und dennoch die Uni Uni sein lassen kann, erklärt sie im derStandard.at-Interview.

derStandard.at: Kann man im Burgenland Snowboarden lernen?

Julia Dujmovits: Ja, das ginge in Kukmirn, aber ich habe es in der Flachau gelernt und bin dann öfter zum Wechsel oder woandershin in der Steiermark gefahren.

derStandard.at: Sie haben beim World Snowboard Festival in Hiroshima den dritten Platz belegt, den NorAm-Parallel-RTL in Le Relais in Kanada gewonnen und beim Weltcup-Parallel-RTL in Stoneham in Kanada, dem WM-Austragungsort 2013, den zweiten Platz belegt. Haben Sie aktuell Stockerlplätze abonniert?

Dujmovits: (lacht) Ich hoffe, dass es so weitergeht. Jetzt kommen noch drei wichtige Rennen: der Parallelslalom in Moskau, der RTL in La Molina und der RTL beim Weltcupfinale in Valmalenco. Ich fühle mich im Riesentorlauf sehr wohl, bin zurzeit sehr stark unterwegs. Am Wochenende steht die Rampe in Moskau auf dem Programm. Da habe ich gute Erinnerungen, bin dort vor zwei Jahren Dritte geworden. Das wird kein typischer Slalom wie gewöhnlich, weil die Strecke sehr kurz ist. Da geht es darum, Vollgas zu geben. Das sollte mir entgegenkommen. Das wird sicher ein cooles Rennen mit einer guten Stimmung. Da ist sicher viel los, weil die Russen im Weltcup sehr stark sind. Vor zwei Jahren waren über 10.000 Zuschauer dabei.

derStandard.at: Was haben Sie sich für die letzten Rennen der Saison vorgenommen?

Dujmovits: Ich weiß, dass ich vor allem im Riesentorlauf sehr stark drauf bin, weil ich in der letzten Quali gleich zwei Sekunden vorne war. Das ist schon ein extremer Abstand. Es hat mich selbst ein bisschen geflasht, dass es so schnell geht. Von dem her weiß ich, dass ich in jedem Rennen zumindest auf das Podium fahren kann, wenn es gut läuft.

derStandard.at: Im Gesamtweltcup führt die Russin Jekaterina Tudegeschewa mit 4.070 Punkten. Sie rangieren aktuell auf dem fünften Platz mit 3.710 Punkten. Was ist da heuer noch möglich?

Dujmovits: Für einen Sieg gibt es 1.000 Punkte, für Platz zwei 800. Wir liegen alle sehr knapp beieinander und es ist daher noch alles möglich. Ich werde versuchen, so zu fahren, wie ich es immer mache: nicht taktieren und Punkte zählen, sondern voll fahren und versuchen, das Rennen zu gewinnen. Das Risiko zu stürzen ist zwar größer, aber ich weiß auch, dass es für ganz oben reichen kann, wenn alles passt.

derStandard.at: Am Samstag steht in Moskau das drittletzte Weltcup-Rennen der Saison auf dem Programm. Würde es Ihrer Meinung nach Sinn machen, die Rennen vermehrt von den Bergen auf künstliche Rampen in Städten zu verlegen?

Dujmovits: Ich fände es cool, wenn es eine Slalomserie in verschiedenen Städten geben würde, weil es von der Stimmung her gut wäre. Vielleicht könnte man die gleiche Rampe von einem Ort zum nächsten transportieren, so wie es auch beim "Big Air" gemacht wird. Das müsste man sich aber genau überlegen, weil es natürlich schon ein extremer finanzieller Aufwand wäre. Riesentorläufe könnte man dann extra austragen, weil die auf einer Rampe nicht funktionieren würden.

derStandard.at: Gibt es von der FIS dahingehende Überlegungen?

Dujmovits: Die Überlegungen gehen dahin, dass bis Olympia 2014 Triple-S-Rennen ausprobiert werden sollen, also drei Leute gleichzeitig unterwegs sind. Das wäre für die Zuschauer sicher sehr interessant, wenn am Schluss die besten drei fahren. Es hätte heuer schon ein Testevent geben sollen, aber es haben sich einige Fahrer dagegen gewehrt, weil es noch nicht ganz durchdacht war. Für solche Rennen bräuchte man aber schon eine riesige Rampe.

derStandard.at: In Boarder-Kreisen genießt die FIS als Dachverband der Skisportler nicht unbedingt den besten Ruf. Gibt es Überlegungen, einen eigenen, unabhängigen Verband zu gründen, der sich ausschließlich um die Boarder kümmert?

Dujmovits: Das ist mittlerweile vom Tisch, im Alpinen wie im Boardercross werden mit der Ausnahme Japans alle Rennen von der FIS gut organisiert. Wir hoffen, dass wir ab nächster Saison eine eigene Riesenslalom-Weltcup-Wertung und einen eigenen Slalom-Weltcup bekommen. Das ist auch notwendig, weil der Slalom olympisch geworden ist. Für Freestyler ist die FIS sicher zweitrangig, weil es viele andere Contests gibt, die genug Sponsoren finden und auch bessere Leute am Start haben.

derStandard.at: Wie schwierig gestaltet sich die Sponsorensuche?

Dujmovits: Das ist in den letzten Jahren sicher nicht einfacher geworden. Ein Problem war auch, dass der ORF nur übertragen hat, wenn wir in Österreich gestartet sind, nun aber übertragen auch Eurosport 2 und ORF Sport Plus. Das sollte die Sponsorensuche erleichtern. Darüber zerbreche ich mir aber nicht mehr den Kopf. Ich versuche einfach, gut zu fahren, dann sollte es auch mit guten Sponsoren funktionieren. Früher habe ich mich selbst darum gekümmert, das hat mich viel Energie gekostet. Jetzt macht das mein Management, "Mensch und Marke", für mich.

derStandard.at: Freestyle-Bewerbe boomen. Warum können Alpinboard-Events da nicht ganz mithalten?

Dujmovits: Das kommt darauf an, wo der Bewerb stattfindet. In Stoneham waren bei den Freestylern genauso wenige Zuschauer wie bei uns. Findet der "Big Air" oder ein Alpin-Bewerb aber in der Stadt statt, kommen natürlich wesentlich mehr Leute. Wichtig wäre, nicht die Leute in das Skigebiet, sondern den Sport Richtung Stadt zu bringen.

derStandard.at: Beim Weltcup am Jauerling fanden sich tausende Zuschauer ein, ansonsten sind es maximal ein paar hundert. Kann es sein, dass manchmal die Werbetrommel zu wenig gerührt wird?

Dujmovits: Das Rennen am Jauerling war super organisiert, da kamen über 5.000 Zuschauer und man hat gesehen, dass es funktioniert. Es kommt eben darauf an, wie man das Rennen vermarktet und wie viel im Vorfeld in Werbung investiert wird. In Bad Gastein wird praktisch keine Werbung gemacht, und es ist daher fast logisch, dass dort viel weniger los ist. Wenn das Rennen irgendwo in Kanada ewig weit weg von der nächsten Stadt steigt, dann ist natürlich auch klar, dass wenige Zuschauer kommen.

derStandard.at: Auch auf den Pisten trifft man Alpinboarder eher vereinzelt. Haben Sie eine Erklärung parat, warum immer mehr trotz immer besser werdender Pistenbedingungen auf Freestyleboards statt Alpinboards setzen?

Dujmovits: Ich glaube, dass der Snowboardsport generell zurückgeht, seit die Carvingskier auf den Markt gekommen sind. Und ich muss schon zugeben, dass es mit Freestyle-Schuhen und -Board einfach viel gemütlicher ist, vor allem wenn die Piste am Nachmittag schlechter wird. In meiner Freizeit bin ich daher auch meist mit einem Freestyleboard unterwegs. Dazu kommt noch, dass man Alpinboards im Handel gar nicht mehr so leicht bekommt und Freestyleboards auch noch günstiger sind. In Japan und Russland gibt es übrigens im Vergleich zu Österreich sehr viele Alpinboarder.

derStandard.at: Was macht für Sie die Faszination am Alpinboarden aus?

Dujmovits: Wenn die Piste griffig und hart ist, dann gibt es fast nichts Besseres, als richtig zu carven, sofern man ein Riesenslalombrett hat. Das ist schon richtig geil, wenn man mit viel Speed in der Kurve liegt, das macht riesig Spaß und ist ein cooles Gefühl. Mit einem Freestylebrett hat man auf kompakter Piste überhaupt keinen Halt und eiert ziemlich herum. Gibt es aber Tiefschnee, dann bin ich die Erste, die das Alpinbrett gegen ein Freestylebrett tauscht.

derStandard.at: Snowboarder sind bekannt für cooles Outfit. Wie wichtig ist Ihnen Ihr äußeres Erscheinungsbild auf der Piste?

Dujmovits: Auf der Piste kann ich nicht anziehen, was ich will, weil wir durch den ÖSV an eine Marke gebunden sind. Aber ich will nicht das komplett gleiche Outfit wie alle anderen haben. Ich bin froh, dass ich eine andere Hose als alle anderen haben darf, und einen komplett weißen Helm fände ich ziemlich fad. Darum kam es auch zu der Aktion mit dem Helm, den mir Andy Lohner gestaltet hat. Ich bin froh, dass wir das gemacht haben, weil er gut zu mir passt. Ich finde den Helm einfach cool.

In der Freizeit ist mir wichtig, dass es gut ausschaut. Oft denke ich mir, da kommen die Obercoolen daher mit den ärgsten Outfits, und man denkt sich, da muss es sich um einen Pro handeln, aber dann können sie nicht einmal einen Schwung fahren. In die Richtung soll es nicht gehen. Ich muss nicht unbedingt jeden Trend mitgehen. Mir ist wichtig, dass es mir taugt und ich mich wohlfühle.

derStandard.at: Warum verwenden im Rennzirkus nicht alle die wesentlich praktischeren Step-in-Bindungen?

Dujmovits: Es gibt einige, die solche Bindungen verwenden, aber ich könnte darauf nicht vertrauen. Wenn einmal ein bissl mehr Schnee drinnen ist, die Bindung aufgeht oder bricht, dann können schon extreme Verletzungen passieren.

derStandard.at: Sie sind von Beruf Heeresleistungssportlerin. Mussten Sie dazu auch eine Grundausbildung absolvieren und zur Waffe greifen?

Dujmovits: Die vier Wochen in Mautern waren schon eine ziemlich harte Zeit. Im Nachhinein lache ich darüber, aber die ersten Wochen war ich ziemlich fertig. Das war eine andere Welt. Das Schießen war interessant, aber sobald sich etwas bewegt hat, habe ich nichts mehr getroffen. Ich bin daher nicht geeignet, in diese Richtung eingesetzt zu werden.

derStandard.at: Sie waren zum Zeitpunkt der Brandkatastrophe im Jahr 2000 in Kaprun. Wie haben Sie diese Tragödie erlebt?

Dujmovits: Ich war mit dem gesamten burgenländischen Kader zum Trainieren dort. Ich habe mich mit meinem Bruder ein paar Minuten lang bei der Unglücks-Standseilbahn angestellt, dann aber hat mein Bruder gemeint: "Fahren wir mit der Gondel." Dann sind wir rübergegangen und mit der Gondelbahn raufgefahren. Alle unsere Freunde, das komplette Team bis auf uns zwei ist mit dieser Standseilbahn gefahren. Das war eine ziemlich harte Zeit, die mich stark geprägt hat.

Die ersten Wochen und Monate danach dachte ich, dass ich nie wieder snowboarden werde, weil es schwer war, Sport und Unglück zu trennen. Schlussendlich hat mir aber der Sport wieder Kraft gegeben, so dass es mir besser ging. Ich bin sehr froh, weitergemacht zu haben, auch wenn es lange Zeit schwer war, Spaß dabei zu haben. Es war aber wichtig für mich weiterzumachen, damit wenigstens irgendetwas im Leben normal blieb.

derStandard.at: Haben Sie schon einen Plan, wohin es nach Ihrer aktiven Sportkarriere gehen soll?

Dujmovits: Eigentlich gar nicht. Ich habe die letzten Jahre Lehramt studiert, möchte das auch weitermachen, aber jetzt im Moment wäre es mehr Stress, als es mir bringt, und ich möchte mich daher die nächsten Jahre voll auf das Snowboarden konzentrieren und danach schauen, was ich weiter mache. Jetzt ist es noch zu früh, sich festzulegen. Ich mache aber sicher weiterhin Ausbildungen. Wenn man das ganze Jahr mit dem Snowboard unterwegs ist, dann ist man auch mal froh, wenn man in einem Hörsaal sitzt. Aber heuer werde ich die Uni Uni sein lassen und mich voll auf den Sport konzentrieren. (derStandard.at, 1.3.2012)