Die Startformation brachte ein schiefes 4-2-3-1 bei den Österreichern gegen einen sehr defensiven Tannenbaum bei den Finnen.

Grafik: derstandard.at/ballverliebt.eu

Das Gefühl, das das Länderspiel gegen Finnland in Klagenfurt bei österreichischen Fußballfans hinterlassen wird, ist folgendes: Ein schwacher Gegner wurde von einem mittelmäßigen Österreich in einer eher faden Partie besiegt. Das Gefühl über Spiele ist aber so eine seltsame Sache: Es wird sehr selektiv aus wenigen Einzeleindrücken zusammengesetzt. Als Österreich vergangenes Jahr gegen Deutschland 1:2 verlor, da war das Gefühl zum Beispiel sehr gut - fast euphorisch. Wenn man sich das Spiel aber hinterher noch einmal konzentriert ansah, relativierte sich das alles ein wenig.

Das Spiel gegen Finnland hatte einen wesentlichen Nachteil: Es wurde vor einem schläfrigen Publikum in einem viel zu großen Stadion ausgetragen. Phasen wie die zwischen Minute 30 und 45, wo Österreich mit viel Ballbesitz fünf- bis sechsmal gefährlich vor das Tor der Finnen kam (und einmal davon auch traf), wirken in einem Hexenkessel nämlich vollkommen anders - sie hinterlassen ein anderes Gefühl. Eines, das Rainer Pariasek nicht dazu nötigt, die Pause mit Bemerkungen anzumoderieren, die völlig widersinnig zum Spielverlauf und -stand auf "Boah, war das übel" reduzierbar gewesen wären.

Erste Hälfte

Dabei war das Spiel der Österreicher natürlich weit weg von einer Weltsensation, aber noch weiter weg von einer Katastrophe. Man schaffte es gemütlich zwischen die beiden Extreme. Die im schiefen 4-2-3-1 gestarteten Gastgeber spielten nach den Ausfällen von Pogatetz, Prödl, Fuchs und mit der Rückkehr von Garics nach kurzer Vorbereitung mit einer völlig neu formierten Abwehr. Finnland parkte mit einem 4-3-2-1-Tannenbaumsystem den Bus vor dem eigenen Strafraum. Und so kam es zu einer Partie, wie sie einem ÖFB-Team in den letzten Jahren so gar nicht lagen: Man musste als Favorit eine Abwehr knacken - das Spiel machen.

Wollten die Gäste alles über Konter erledigen, so plante das Team von Marcel Koller, über ein gepflegtes Pressing und von den Außenverteidigern forciertes Flankenspiel zum Erfolg zu kommen. Garics und Suttner gingen immer wieder mit nach vorn, kamen aber nur sehr selten zum begehrten letzten Pass. Wenn in der ersten Halbzeit Crosses von den beiden kamen  (Garics: 1', 41' und 44'; Suttner: 9', 41', 44'), dann gingen sie selten bis an die Grundlinien damit, sondern bugsierten sie aus dem "Halbfeld" zur Mitte. Nicht immer, aber meistens wurden sie abgeblockt.

Dass Garics vor der Pause etwas zurückhaltender wirkte, hat auch damit zu tun, dass die Dreiecksbildung rechts schwieriger war, weil sowohl der zentrale Arnautovic als auch Spielmacher Alaba nach links tendierten. Harnik und Baumgartlinger mussten deshalb mehr Räume abdecken und konnten dem Italien-Legionär selten einfache Anspielstationen für die Vorwärtsbewegung liefern. Ein Problem für beide Außenverteidiger war auch, dass die Außenspieler in der offensiven Dreierkette immer wieder die Räume für Seitenlinienabenteuer blockierten, weil sie sich selbst an diesen Markierungen orientierten. Harnik, Ivanschitz und teilweise auch Alaba versuchten in einigen Fällen etwas weiter vorgezogen den Ball queren zu lassen, blieben damit aber auch erfolglos.

Durch die Mitte waren die Aktionen (naturgemäß) merklich gefährlicher. Motor Alaba, dem zu einer absoluten Spitzenleistung nur die Präzision in einigen Fällen fehlte, schaffte es zweimal, mit einem Haken zur Mitte die finnische Ordnung zu vernichten und Steilpässe in die Spitze anzubringen. Beim Lauf von Harnik (11') hinter die Verteidigung (Janko und Arnautovic zogen die Innenverteidigung hoch) passte aber dessen Deckungsspieler auf. Bei dem von Arnautovic (37.) war der Bremer Stürmer leider knapp im Abseits. Diese Abseitsfalle der Finnen vereitelte zahlreiche Möglichkeiten der Österreicher. Auch bei einem Heber über die Abwehr von Baumgartlinger (29') stand Harnik knapp zu weit vorne. Einen Steilpass von Arnautovic (41') griff andersrum keiner von drei möglichen Spielern an der Strafraumgrenze auf. 

Pressing ja, aber nicht zerstörerisch genug

Gepresst wurde von den Österreichern anständig, aber nicht sehr aggressiv, was Marcel Koller auch nach dem Spiel kurz im Interview ansprach. Das Zustellen von Passwegen und Gegenspielern in hoher Position reichte zwar, um den Finnen die meiste Zeit über Angriffe zu verunmöglichen (und um Janko beim 1:0 anschießen zu lassen), nicht aber dazu, um weit vorne Ballgewinne zu verzeichnen und selbst zu Chancen zu kommen. Die Ausnahmen dazu: Der lobenswerte Einsatz von Arnautovic, als er Janko (40') perfekt einsetzte und dessen Abschluss von Pasanen geblockt wurde.

Ein Problem beim Pressing der Österreicher war das asymmetrische Verhalten in der offensiven Dreierkette. Harnik positionierte sich rechts recht hoch, Ivanschitz ließ sich von seinem Gegenspieler Arkivuo hingegen immer wieder zurückziehen (um Debütant Suttner nicht mit zwei Mann allein zu lassen). Er war bei finnischem Ballbesitz deshalb öfters auf Höhe des defensiven Mittelfelds zu finden, was ganz vorne nur drei Leute für das Pressing übrig ließ.

Arnautovic spielte eher eine hängende Spitze als einen tatsächlichen Zehner. Er konnte in der zentralen Position nicht die Laufleistung anbieten, die ihn bei Bremen auszeichnet. Die Rolle limitierte ihn auf eine bestimmte Zone, die gerade vom finnischen Dreierzentrum sehr stark zugestellt wurde. Arnautovic ging (abgesehen von der angesprochenen Chance) im Forechecking recht selten wirklich an den Mann, sondern versuchte (wie einige andere Österreicher) Pässe zu verhindern. Richtig nachzugehen und den Ball zu erobern war dem defensiven Mittelfeld vorbehalten. Alaba und Baumgartlinger erzwangen dabei aber vor allem immer wieder Rückpässe ihrer Gegenspieler, zu einem Gegenstoß kam es selten.

Die tiefe Anlage der Finnen ließ die Österreicher selten das tun, was sie mit ihren schnellen Leuten im Angriff gut können: Kontern. Nur wenn man den Gästen einmal ein Forechecking entlocken konnte (wie vor dem 1:0 und dem kurz darauf folgenden Schuss von Garics (32')), gelang es sie zu strecken. Die technischen Qualitäten der Österreicher zeigten sich dabei, denn wenn der Gegner nicht wirklich konsequent und kollektiv presst, spielt die individuell stark besetzte Mannschaft die Bälle mittlerweile mit bestechender Sicherheit aus der Gefahrenzone.

Wogegen eigentlich verteidigen?

Die Finnen waren als Team sicher eine Klasse schlechter, als die Heimmannschaft. Ihr Gameplan war absehbar, zeigte sich aber nur in wenigen Momenten. Sie wollten den Ball schnell auf den flinken Pukki bringen, um über dessen Tempo die österreichische Hintermannschaft zu überrumpeln. Meist unterbanden die Österreicher das gut. In der 7. Minute musste die Innenverteidigung allerdings doch 1 gegen 1 Situationen lösen. Auch nach einigen Fehlpässen mussten Dragovic und Schiemer zwei Mal retten - dem Basler blieb in der 28. Minute dafür nur ein Gelbfoul. Die gefährlichste Situation entstand kurz vor der vollendeten halben Stunde, als der ÖFB-Angriff den Finnen einmal zu wenig Druck machte, die Abwehr aber trotzdem hoch stand. Pasanens weiter Pass auf Puki kam ziemlich perfekt, der Schalker Ersatzstürmer konnte ihn aber glücklicherweise nicht gut genug mitnehmen und das reichte der Verteidigung um wieder zur Stelle zu sein.

Eine zweite Problemzone ergab sich aus einer Sache, an der die Österreicher noch arbeiten müssen. Dass die defensiven Mittelfeldspieler sehr hoch drückten, ließ zwischen ihnen und der Abwehr oft ein bisschen Platz. Dort platzierten sich alle drei finnischen Stürmer gerne, womit sie die Außenverteidiger nach innen zogen. In der schnellen Rückwärtsbewegung konnten Alaba und Baumgartlinger diese Zone oft erst im letzten Moment schließen, was den Gästen aber immer noch in einigen Fällen die Möglichkeit zum Schießen gab. Probleme verursachte das zumindest an diesem Tag aber auch nicht.

Zweite Hälte

Finnland (Riski für Hetermaj) blieb seiner Taktik nach der Pause treu. Janko blieb bei Österreich absehbarerweise (er spielt am Freitag schon wieder in der Meisterschaft) auf der Bank, für ihn kam Hoffer ins Spiel, der naturgemäß andere Anlagen (Tempo, Anspielbarkeit im Kurzpassspiel) mitbringt. Arnautovic tummelte sich nun noch aktiver rund um den Frankfurt-Legionär, als zuvor um Janko, presste aggressiver und bekam dafür auch etwas mehr Freiheiten. Seine Aufgabe ähnelte nun mehr dem bei Werder gewohnten Prinzip. Damit tendierte Kollers Team noch mehr in ein sehr offensives 4-4-2 als bisher. Der Schweizer dürfte in der Kabine sonst vor allem Detailarbeit geleistet haben. Er scheint etwa Harnik aufgetragen zu haben, an der Seitenlinie mehr Platz für den dahinterstehenden Garics zu lassen und seinen Außenverteidiger ins Zentrum zu ziehen. Den Effekt sah man sofort nach Wiederbeginn. Sowohl Arnautovic als auch Baumgartlinger verlagerten den Ball nach Aufbau über links zu Garics, der zwar immer noch wenig Unterstützung, aber dafür mehr freie Räume vor sich hatte.

Unmittelbar nach dem Seitenwechsel vermittelte die Optik dadurch einen wesentlich aktiveren Eindruck. Die Österreicher arbeiteten damit weiter an der Ballbesitz-Statistik, die in der ersten halben Stunde noch ausgeglichen war. Das enger gestellte offensive Zentrum und die zusätzliche Breite durch die offensiveren Außenverteidiger erleichterten kurze Pässe und damit auch, die Haut in den eigenen Reihen zu halten. Den Finnen gelang das kaum noch - und auch Druck auf Baumgartlinger und Alaba konnten sie nicht mehr wirklich ausüben. 

Drei Anläufe, ein Tor

Und so kam es auch, dass das toll herausgespielte 2:0 aus dieser zentralen Zone heraus entstand. Baumgartlinger lupfte den Ball über die Abwehr auf den nach links gekreuzten Harnik und der ließ sich in seinem aktuellen Torrausch vom herauseilenden Hradecky nicht abschrecken und netzte schmerzhaft ein (54'). Die Aktion kann man übrigens recht zuverlässig als einstudierten Laufweg betrachten, denn nur 30 Sekunden vorher war dieselbe Konstellation bereits gegeben und Harnik schon gestartet - da hatte Baumgartlinger aber noch einmal abgedreht. Und exakt dieselbe Situation war in der ersten Hälfte am bereits angesprochenen, knappen Abseits von Harnik gescheitert. Mit Hoffer als Anspielstation funktionierte der Heber kurz nach dem zweiten Treffer nicht ganz so gut, weil der Schiedsrichter da ein Foul gesehen haben wollte.

Ab diesem Zeitpunkt war klar, dass sich das rote Team nur noch selbst schlagen konnte. Die Finnen versuchten zwar, nun mit mehr Personal früher zu attackieren und noch irgendwie ins Spiel zurück zu kommen, waren aber in jeder Hinsicht unterlegen. Mehr als ein Schuss von Pukki aus 25 Metern über das Tor sah weiterhin nicht heraus.

Anders die Österreicher: Vertikale Läufe von Alaba trugen richtig schöne Kombinationen durch die Mitte. Sie zeigten das Potential der Mannschaft bei schon nur wenig mehr Platz an. Einmal (58') scheiterte ein solcher an einem ungeahndeten Foul von Pasanen, nur kurz darauf brachte Ivanschitz seinen Schuss aus etwas über 20 Metern leider nicht auf das Tor. Etwas später fing Pasanen den finalen Pass auf Harnik ab (67').

Umstellungen machen Spiel offener und unstrukturierter

Kuqi kam nach der vollen Stunde für Hämäläinen, was das finnische System in ein klassischeres 4-3-3 veränderte. Kuqi ging in die Spitze, Ring und Pukki sollten mit Speed an seiner Seite Druck erzeugen. Zeitgleich nahm Marcel Koller Arnautovic vom Platz, der nicht seinen allerbesten Tag hatte, vom ansonsten eher schlummrigen Kärntner Publikum aber auch beim Abgang unnötigerweise noch einmal ausgepfiffen wurde. Der Teamchef brachte an seiner Stelle den Bremer Teamkollegen Junuzovic. Der verstärkte nun hinter Hoffer das mit dem noch offensiver werdenden Alaba und Lenker Baumgartlinger in jeder Hinsicht begabte Dreierzentrum. Dieses hielt dem finnischen Verteidigungsdruck gut stand und verteilte die Bälle (wie Junuzovic auf Garics, dessen Cross in der Mitte Hoffer nicht fand (67')).

Das System blieb weiterhin aufgrund der unterschiedlichen Positionsauslegung von Harnik (eher schon Stürmer, viel in der Mitte) und Ivanschitz (vorsichtiger und klassisch im linken Mittelfeld) schief und wurde extrem flüssig ausgelegt. Klare Reihen waren in dieser Phase des Spiels kaum noch zu erkennen. Das Match wurde nach diesen Wechseln außerdem offener geführt. Eine finnische Chance konnte in der 70. Minute abermals nur von Schiemer in der hervorragenden Innenverteidigung verhindert werden. Junuzovic scheiterte 90 Sekunden später daran, dass er sich den Ball zu weit vorlegte - kurz danach brachte das Nachsetzen und ein gnädiger Pfiff Österreich den alles entscheidenden Elfmeter ein, den Ivanschitz mit der Kapitänsschleife am Arm verwandelte.

In der Schlussviertelstunde wurde auf beiden Seiten noch eifrig gewechselt (die Kader-Backups Säumel, Ortlechner, Pehlivan, Burgstaller durften sich zeigen), was die taktischen Aufschlüsse endgültig minimierte. Österreich blieb auch da das bessere Team. Der finnische Anschlusstreffer zum Ende schmerzte vor allem statistisch und den ansonsten guten und meist unterbeschäftigten Almer, legt ansonsten aber wenige Konsequenzen nahe.

Fazit

Es gibt für Österreich-Fans keinen Grund Trübsal zu blasen. Man hat nichts falsch gemacht und gegen einen sehr defensiven Gegner sowohl verdient als auch souverän gewonnen. Das war in der Vergangenheit alles andere als selbstverständlich und würde in der Qualifikation gegen die schwächeren Gegner schon genügen. Auch wenn Finnland gestern kein Maßstab war, darf man nicht übersehen, dass die Nordeuropäer keineswegs in der alleruntersten Schublade der europäischen Nationalmannschaften stecken. In jüngerer Geschichte hieß es noch, dass es unmöglich sei, gegen vergleichbare Mannschaften als Favorit dazustehen.

Natürlich ist auch eher vorsichtiger Optimismus als eine ungebremste Jubelstimmung angebracht. Es waren wieder nur ein paar Tapser nach vorne, die dem ÖFB im Februar-Kurztrainingslager gelangen. Um mehr Einfluss geltend zu machen, bräuchte man schlicht mehr Zeit. Viel davon wird man bedauerlicherweise auch vor der Quali nicht mehr haben - gerade der annullierten August-Länderspieltermin schmerzt in dieser Situation.

Die gute Nachricht ist, dass die individuelle Klasse des heimischen Personals sich fast schon monatlich spürbar verbessert. Besonders die Legionäre setzen sich durch und sammeln Spielpraxis unter brauchbaren Wettbewerbsbedingungen. Da machen auch ein paar prominente Ausfälle nicht gleich den Tag kaputt. Dem Spiel der Österreicher fehlte gegen Finnland vor allem Präzision im Angriffsdrittel. Zu oft kam der letzte Pass nicht an, wurden Eckbälle schlecht geschlagen und in Abseitsfallen getapst, um das Spiel wirklich offensichtlich gut aussehen zu lassen.

Das muss in Zukunft gelingen. Nächste Chance: Ukraine. (tsc, derStandard.at, 1.3.2012)