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Wahlkampfhilfe: Hinter einem imposanten serbischen Flaggenbild verkaufte Präsident Boris Tadic den Kandidatenstatus.

Foto: AP/Voijnovic

Als EU-Ratspräsident Herman van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso Donnerstagnacht in Brüssel bekanntgaben, dass Serbien den EU-Kandidatenstatus bekommen hat, brach Jubel in Belgrad aus. Zumindest bei den regierenden Parteien und Medien, die sie unterstützen. TV-Moderatoren teilten die "sehr gute Nachricht" mit einem besonders breiten Lächeln mit, Minister sprachen von einer neuen Epoche der Beziehungen Serbiens mit der EU. Doch die Show stahl Präsident Boris Tadic. Er gratulierte den Bürgern und sprach von den "gewaltigen Vorteilen" für Serbien.

Er setzte dabei den Akzent auf den wirtschaftlichen Nutzen des Kandidatenstatus. Es sei für Auslandsinvestoren eine Garantie, dass Serbien ein sicherer Markt sei. Der Kandidatenstatus bedeute mehr Investitionen, eine Modernisierung der Wirtschaft und dadurch eine Verbesserung des Lebensstandards. Auf die Frage, wie er sich denn die Mitgliedschaft Serbiens in der EU vorstelle, ohne dass zuvor das Verhältnis zum Kosovo und die Grenzen Serbiens geregelt sind, antwortete der Präsident schroff: "Unser Standpunkt zum Kosovo ist kristallklar, wir werden seine Unabhängigkeit unter gar keinen Umständen anerkennen." Dann rief Tadic die Bürger zum Feiern auf.

Die Opposition hingegen meinte, dass der Kandidatenstatus lediglich ein Beitrag Brüssels zur Tadics Wahlkampagne sei, der Preis dafür aber der "Hochverrat" in der Kosovo-Frage wäre, dessen Unabhängigkeit Belgrad de facto durch das Abkommen über die regionale Vertretung des Kosovo anerkannt habe.

Opposition vorn

Die EU-Unterstützung in der Bevölkerung war zuletzt auf 48 Prozent abgeflaut, der serbische Dinar erreicht Rekordtiefwerte, Arbeitslosigkeit und Preise steigen, der Lebensstandard sinkt. Die regierende "Demokratische Partei" (DS) von Tadic liegt acht Prozent hinter der oppositionellen "Serbischen Fortschrittspartei" (SNS) von Tomislav Nikolic, der man mit ihrer ultranationalistischen Vorgeschichte trotz ihrer heute deklarierten "proeuropäischen" Orientierung in Brüssel wenig Glauben schenkt.

Für innenpolitische Aufregung sorgte Tadic, als er nicht ausschloss, dass die Präsidentschaftswahlen mit den Parlaments- und Kommunalwahlen Anfang Mai zusammengelegt werden könnten: "Ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, aber ich habe nichts dagegen", sagte er. Sollte dies geschehen - die Präsidentschaftswahlen sollten eigentlich Ende des Jahres stattfinden - könnte der populäre Tadic seiner Partei auf der Welle des EU-Enthusiasmus zum Wahlsieg verhelfen. (DER STANDARD Printausgabe, 3.3/4.3.2012)