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Immer mehr Unternehmen in Griechenland machen dicht, der Fiskus braucht Milliarden.

Foto: Reuters/Grigoris Siamidis

Griechenlands Finanzminister Venizelos macht Druck auf die Gläubiger, dem Anleihentausch zuzustimmen. Die größten Banken sind bereits an Bord. Ökonomen warnen vor einer Schieflage im Euro-Zahlungssystem.

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Athen/Frankfurt/Wien - Griechenland ringt an verschiedenen Fronten um mehrere Milliarden Euro. Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos hat am Montag abermals die Bevölkerung aufgerufen, ihr ins Ausland verbrachte Geld zurückzuholen. Seit dem Ausbruch der Krise im Jahr 2009 sind rund 70 Mrd. Euro von den Banken abgezogen worden.

16 Milliarden davon seien ins Ausland überwiesen worden. Darüber hinaus werde ein erheblicher Teil gebunkert. Dieses Geld müsse wieder in den Wirtschaftskreislauf gelangen, betonte Venizelos im griechischen Fernsehen.

Bis Donnerstag hat die Regierung in Athen Zeit, um genügend Zustimmung zu dem "freiwilligen" Schuldenschnitt durch private Gläubiger wie Banken und Versicherungen zu erhalten. Insgesamt sollen auf diesem Weg 107 Milliarden Euro an Schulden erlassen werden. Die griechische Regierung will ihr Angebot an private Investoren für einen freiwilligen Schuldenschnitt nicht nachbessern, sagte Venizelos am Montag. "Unser Ziel ist nahezu volle Partizipation", sagte er in einem Reuters-Interview, ein zweites Angebot werde es nicht geben. Die Regierung sei bereit, Verluste mithilfe von Umschuldungsklauseln (Collective Action Clauses) durchzusetzen. Private Inhaber griechischer Staatsanleihen sollen einen Verlust von 73 bis 74 Prozent realisieren, um die Athener Finanzen zu entlasten.

Die zwölf Banken, Versicherer und Investmentgesellschaften, die Mitglieder des Steuerungsausschuss des internationalen Bankenverbands IIF sind, nehmen fix an der Umschuldung teil. Das bestätigte der Verband in einer Aussendung. In dem Ausschuss sitzen Großbanken wie BNP Paribas und Deutsche Bank, die National Bank of Greece, oder der Versicherer Allianz. Analysten schätzen, der IIF repräsentiere knapp die Hälfte der gesamten Gläubiger Griechenlands.

Risiko im Eurosystem

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird bei ihrer Zinssitzung am Donnerstag ebenfalls über das Risiko in Griechenland debattieren. Jens Weidmann, Chef der deutschen Bundesbank und Mitglied des Gouverneursrats der EZB, hat vergangene Woche in einem Brief an den obersten Notenbanker Mario Draghi vor den Risiken der milliardenschweren Ungleichgewichte im Zahlungssystem "Target2" gewarnt.

Im Euro-Zahlungssystem entstehen immer dann Überschüsse und Defizite, wenn eine nationale Zentralbank, etwa in Griechenland, dem eigenen Bankensektor überdurchschnittlich viel Liquidität bereitstellt. Dafür wird eine Verbindlichkeit in Griechenland verbucht, der Forderungen bei den Notenbanken in den übrigen Eurostaaten gegenüber stehen.

Jean Pisani-Ferry, Leiter der Brüsseler Denkfabrik Bruegel, führt die Schieflage auf das Misstrauen der europäischen Banken untereinander zurück. Wegen der Schuldenkrise müssen sich die Banken in Spanien, Portugal oder Griechenland stärker über die Zentralbanken refinanzieren, weil sie weniger Geld auf dem Interbanken-Markt bekommen, auf dem sich die Geldinstitute gegenseitig Kredite geben. "Die Target2-Salden spiegeln das Gegenparteienrisiko wider," sagt Pisani-Ferry.

In Griechenland beläuft sich das Target2-Defizit aktuell auf mehr als 107 Milliarden Euro. Die Deutsche Bundesbank hat einen Überschuss über 547 Milliarden Euro angesammelt. Vor der Krise waren die Target2-Salden nahezu ausgeglichen.

Weidmann fordert in dem Brief an Draghi, dass die Defizitländer bei Target2-Sicherheiten nachreichen müssen. Dann würde die Bundesbank im Fall des Euro-Austritts eines Landes nicht auf den Forderungen sitzen bleiben. Ökonomen warnen vor den Folgen dieser Maßnahme. "Jede Vorbereitung auf den Fall eines Austritts aus dem Euro wäre gefährlich", warnt Marco Annunziata, Chefökonom von General Electric, anlässlich der Sitzung des EZB-Schattenrats. Das würde die Investoren verunsichern. (sulu, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.3.2012)