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Die europaweiten Proteste gegen Acta können das Abkommen verhindern, aber nicht die Sperre von Websites.

Foto: Reuters/Niesner

Urheberrechtsverletzende Websites, die insbesondere Filme und Musik gratis zum Download anbieten, werden meist von Staaten aus betrieben, in denen es entweder kein Urheberrecht gibt oder dieses nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln durchgesetzt werden kann. Da solche Websites ihre Inhalte auch in Österreich zur Verfügung stellen, unterliegen sie auch dem österreichischen Urheberrecht. Betreiber solcher Websites sind typischerweise nicht identifizierbar. Um das Urheberrecht in derartigen Fällen durchzusetzen, besteht nur die Möglichkeit der Sperre des Zugangs zu derartigen Websites durch inländische Internet-Provider für ihre Kunden (sog. Website-Sperren).

Viele befürchten, dass das heiß diskutierte Anti-Counterfeiting Trade Agreement (Acta), das die EU-Kommission im Jänner 2012 unterschrieben hat, das aber von vielen EU-Staaten vorerst nicht ratifiziert wird, derartige Website-Sperren einführen würde. Tatsächlich sieht Artikel 27 des Acta lediglich vor, dass Vertragsstaaten das Urheberrecht auch dann durchzusetzen haben, wenn Rechtsverletzungen "über digitale Netze" erfolgen, wobei die Grundsätze der freien Meinungsäußerung und des Schutzes der Privatsphäre zu beachten seien. Davon, dass Acta Website-Sperren zwingend fordern würde, kann daher nicht gesprochen werden.

Demgegenüber sieht bereits geltendes, von allen Mitgliedstaaten umzusetzendes EU-Recht vor, dass Rechteinhaber die Möglichkeit haben müssen, gerichtliche Verfügungen gegen Internet-Provider zu erwirken. Mit diesen müssen Internet-Provider dazu verpflichtet werden können, Rechtsverletzungen, die unter Verwendung ihrer Dienste begangen werden, zu unterbinden. Hieran kann spätestens seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom November 2011 in einem Rechtsstreit zwischen der belgischen Rechteverwertungsgesellschaft Sabam und dem belgischen Provider Scarlet (C-70/10 vom 24. 11. 2011) kein Zweifel bestehen. Das Gericht hat ausgesprochen, dass derartige Maßnahmen ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Urheberrecht und den Grundrechten auf Datenschutz und Informationsfreiheit gewährleisten müssen. Die im Anlassfall geforderte Totalüberwachung des gesamten Datenverkehrs aller Nutzer wurde daher als unzulässig befunden. Umgekehrt ist aus den Ausführungen des Gerichts ersichtlich, dass die Sperre einzelner Websites - sei es auf Grundlage der IP-Adresse oder des Domain-Namens der Website - grundsätzlich zulässig ist.

Fünf Staaten mit Sperren

So liegen bereits aus fünf Mitgliedstaaten der EU Gerichtsentscheidungen vor, mit denen Internet-Provider dazu verpflichtet wurden, urheberrechtsverletzende Websites zu sperren: Österreich (kino.to), Finnland (The Pirate Bay), Belgien (The Pirate Bay), das Vereinigte Königreich (Newzbin) und Dänemark (AllOfMP3 sowie The Pirate Bay). Die Gerichte setzten sich insbesondere damit auseinander, dass jede Form der Website-Sperre von versierteren Nutzern umgangen werden kann, kamen jedoch zu dem Ergebnis, dass es ausreichend ist, wenn zumindest ein Teil der Nutzer davon abgehalten werden kann, die urheberrechtsverletzenden Websites zu besuchen.

Nur aus jenen Mitgliedstaaten, in denen die EU-rechtlichen Vorgaben nicht in nationales Recht umgesetzt wurden, gibt es Gerichtsentscheidungen, mit denen Website-Sperren verweigert wurden: Irland, die Niederlande und Deutschland. Bemerkenswerterweise lehnten die Gerichte dieser Staaten Website-Sperren nicht mit dem Argument ab, dass solche Sperren einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte auf Informationsfreiheit oder Datenschutz darstellen würden, sondern wegen der Tatsache, dass es keine gesetzliche Grundlage im nationalen Recht gab, die die EU-rechtlichen Vorgaben umgesetzt hätte.

Klage der Kommission droht

Es sind also in jenen Mitgliedstaaten, in denen geltendes EU-Recht umgesetzt wurde, Website-Sperren längst Realität. Für alle anderen Mitgliedstaaten gilt, dass die unterlassene Umsetzung des EU-Rechts zu einer Klage der Europäischen Kommission vor dem EuGH und im Falle einer Verurteilung des Landes zu entsprechenden Strafzahlungen führen kann. Daher ist davon auszugehen, dass Website-Sperren mittelfristig in allen Mitgliedstaaten der EU eingeführt werden.

Abschließend ist zu bemerken, dass der heftig geführte Diskurs über Website-Sperren eigentlich ein solcher über die Durchsetzung des geltenden Urheberrechts ist. Diesem Diskurs haftet der Mangel an, dass er nach dem Prinzip Alles-oder-Nichts - Rechtsdurchsetzung oder rechtsfreier Raum - geführt wird. Wesentlich gewinnbringender wäre es, über die konkrete Ausformung des Urheberrechts anstatt bloß über seine Durchsetzung zu diskutieren, wobei insbesondere das angemessene Verhältnis zwischen dem Grundrecht auf geistiges Eigentum und dem Grundrecht auf Informationsfreiheit in den Blickpunkt rücken sollte. (Lukas Feiler, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 7.3.2012)