Reden über sinnvolle und hoffnungslose Kämpfe für Frauenrechte: Maria Rauch-Kallat (l.) und Barbara Blaha.

Foto: Matthias Cremer

STANDARD: Ganz ehrlich: Nervt Sie der Frauentag nicht? Es ist mittlerweile der hunderterste.

Maria Rauch-Kallat: Natürlich. Es nervt. Umgekehrt ...

Barbara Blaha: ... würden wir heute nicht hier sitzen und über Frauenthemen reden.

STANDARD: Inhaltlich ändert sich trotzdem wenig. Warum?

Rauch-Kallat: Ich glaube, dass sich derart einzementierte Rollen nicht von einem Tag auf den anderen verändern lassen. Gerade darum ist es notwendig, Maßnahmen zu setzen, die wirksamer sind als nur Appelle. Die gesetzlich vorgeschriebene Quote hat einen Sinn. Sie beschleunigt.

Blaha: Die Zahlen zeigen ja auch, dass zumindest in kleinen Schritten etwas weitergeht. Dass es heute immerhin ein Drittel Frauen in nationalen politischen Gremien gibt, ist ja nicht nichts, verglichen mit den 1960er- oder 70er-Jahren. Allerdings schreitet der Prozess nur sehr zäh voran. Das liegt nicht an den individuellen Frauen, sondern an den strukturellen Benachteiligungen. Wir werden da ohne ein Bündel an Maßnahmen nicht weiterkommen. Da ist die Frauenquote eine davon.

STANDARD: Im Parlament gibt es wieder weniger Frauen.

Blaha: Das verdanken wir vor allem der FPÖ und dem BZÖ, die der Frauenpolitik gar nichts abgewinnen können. Eine Quote würde dem schnell Abhilfe schaffen.

STANDARD: ÖVP und SPÖ halten ihre Quoten auch nicht ein ...

Rauch-Kallat: ... weil es keine Sanktionen gibt. Das sind Empfehlungen, an die sich manche schlicht und einfach nicht halten.

Blaha: Da leidet dann die Glaubwürdigkeit, wenn man sich nach vorne stellt und sagt, man ist für eine progressive Frauenpolitik.

Rauch-Kallat: Es ist auf kommunaler Ebene noch schwerer. Vor allem im ländlichen Raum lastet ein Druck auf den Frauen, sich gar nicht zu bewerben. Da gäbe es viele fähige Frauen, die das tun würden, die aber nicht bereit sind, sich zu exponieren und sich der Kritik der öffentlichen Meinung im Dorf auszusetzen.

Blaha: Es spielen auch viele strukturelle Ursachen eine Rolle. Wer kümmert sich um die Kinder, wer um den Haushalt? Der Scheideweg beginnt in der Zeit zwischen 20 und 40, also in der Karriere- und Familiengründungsphase. Frauen stellen ihr berufliches Engagement hier eher zurück, während Männer es intensivieren. Das ist für Frauen sehr schwer wieder einzuholen.

Rauch-Kallat: In der Privatwirtschaft ist das vergleichbar mit dem Karriereknick bei Kindern. Wo den Frauen einfach diese Jahre fehlen. Und es ist ein Glück, wenn es nur ein oder zwei sind.

STANDARD: Mit durchaus entscheidenden Auswirkungen auch auf die Pension. Ist das den Frauen überhaupt ausreichend bewusst?

Blaha: Das glaube ich schon. In vielen Fällen haben Frauen gar nicht die Möglichkeit, eine Vollzeitstelle wahrzunehmen, weil es zum Beispiel nicht die Kinderbetreuungseinrichtungen gibt dafür. Da stecken eher die Frauen zurück ...

Rauch-Kallat: ... zumindest dort, wo sie weniger verdienen als die Männer. Und das ist die Mehrheit der Fälle.

STANDARD: Frau Blaha schreibt, Männer sind im Durchschnitt häufiger davon überzeugt, kompetent für ein politisches Amt zu sein. Fehlt den Frauen das Zeug zum Wichtigmachen?

Rauch-Kallat: Zunehmend ja. Es muss ein Gen geben, das den Männern ein höheres Selbstwertgefühl verleiht. Es sind mir wenige Männer in den letzten 30 Jahren, in denen ich auch Führungspositionen vergeben konnte, begegnet, die gesagt haben, sie sind für ein Amt, das man ihnen angeboten hat, nicht geeignet. Es ist mir ein Einziger in Erinnerung.

Blaha: Hat der Karriere gemacht?

Rauch-Kallat: Nein. Die erste Frage von Frauen, wenn ich ihnen einen Job angeboten habe, war: Glauben Sie, dass ich das kann? Gefolgt von: Was wird mein Mann dazu sagen? Wie werde ich das mit den Kindern schaffen?

Blaha: Der Ursprung dieses Problems beginnt schon sehr früh. Studien belegen, dass Buben bereits im Alter von zehn bis zwölf Jahren eine gute Note eher auf sich und ihre Leistung beziehen, während Mädchen das eher auf Glück, Zufall oder besonderen Fleiß zurückführen. Wir müssten bereits in der pädagogischen Ausbildung anfangen, das zu thematisieren. Heute kann ich Lehrer werden, ohne dass mir die Frage Gender überhaupt begegnet.

STANDARD: Das wirkt aber nur sehr langfristig.

Blaha: Irgendwann muss man beginnen. Die Frauenbewegung hat bewiesen, dass sie einen langen Atem hat.

STANDARD: Frau Rauch-Kallat, wer solange in der Politik war, hat sicher oft Diskriminierung erlebt ...

Rauch-Kallat: Absolut. Man muss aber schon die Sinne schärfen. Jemand, der sich damit nie beschäftigt, wird oberflächlich keine Unterschiede bemerken.

Blaha: Bis zu einem gewissen Alter kommt Diskriminierung auf leisen Pfoten daher. Schauen Sie sich die Unis an: Mehr als die Hälfte aller Absolventen sind Frauen. Da würde man doch meinen, Frauen seien auf der Überholspur. Aber man kann fast sicher sein: Vorne steht ein Mann als Professor. Oder: Wenn ich drei Tage wegfahre, werde ich gefragt, wo mein Kind ist. Einem Mann passiert das nicht. Man lebt in ständiger Auseinandersetzung. Es fliegt einem ja nicht zu, dass die Arbeit zu Hause gleich verteilt ist. Das muss man jeden Tag aufs Neue Ausstreiten.

STANDARD: Wie ist das bei Ihnen?

Rauch-Kallat: Mit meinem Mann rede ich darüber nicht. Das habe ich als sinnlos abgeschrieben.

STANDARD: Sie waren von 2003 bis 2007 auch Frauenministerin. Sind Sie da auch gescheitert?

Rauch-Kallat: Ich glaube nicht. Ich habe versucht, Akzente zu setzen ...

Blaha: ... gleichzeitig fällt in diese Zeit auch eine Pensionsreform, die durch die Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes Frauen massiv benachteiligt ...

Rauch-Kallat: ... umgekehrt sind in der Pensionsreform die Kindererziehungszeiten vermehrt anerkannt worden. Ich bin auch für ein verpflichtendes Pensionssplitting eingetreten. Wenn es in einer Ehe Kinder gibt, würden damit die Pensionsansprüche automatisch geteilt, außer man widerspricht. Das Splitting gibt es jetzt als freiwillige Maßnahme - und es wird ganz wenig in Anspruch genommen. Wissen Sie, von wem? Von Männern, die Zuhause bleiben. Im ersten Jahr waren es acht Personen: eine Frau, sieben Männer. Mit diesem Thema sind wir nicht durchgekommen.

Blaha: Das gilt ja auch für den gesamten Pflegebereich. Das ist ja auch ganz stark weiblich besetzt - und nicht nur bei der bezahlten Arbeit, sondern auch dort, wo die Pflege in der Familie übernommen wird. Das sind de facto ja auch ausschließlich Frauen. Sobald die Kinder groß genug sind ...

Rauch-Kallat: ... geht's mit den Eltern los.

STANDARD:Wie sehen Sie die Diskussion über einen Papa-Monat?

Blaha: Ein Papa-Monat ersetzt schon in der Semantik die Idee einer gleichberechtigten Karenzbeteiligung. Das ist eine Art Sonderstatus. Ich begrüße zwar die Intention, die dahintersteckt, wünsche mir aber, dass es mehr Maßnahmen gibt, dass Männer verpflichtend zu Hause beim Kind bleiben, auch für einen längeren Zeitraum.

Rauch-Kallat: Dem kann ich mich nur anschließen. Bei der Finanzierbarkeit bin ich aber skeptisch. (Peter Mayr, Karin Riss, DER STANDARD, Printausgabe 8.3.2012)