Voguing and the House Ballroom Scene of New York City 1989-92
Tim Lawrence & Chantal Regnault
208 Seiten, 22,95 Euro
Soul Jazz Books 2011

Foto: Matthias Cremer/ Der Standard

Zwei Drittel der damaligen Szene sind heute tot. Die meisten erlagen Krankheiten, die das Aids-Virus ausgelöst hatte. So betrachtet, ist der Blick in die hohe Zeit des Voguing eine Erinnerung an eine vergangene Ära, selbst wenn es heute noch Teil der homosexuellen Kultur ist. Die Fotografin Chantal Regnault tauchte Ende der 1980er-Jahre in New York in diese Subkultur ein und dokumentierte sie mit ihrer Kamera. Zwar datieren Vorläufer des Voguing zurück ins 19. Jahrhundert, als im Stadtteil Harlem erste Drag Queens öffentliche Umzüge organisierten. Doch erst als in den 1960ern lesbische und schwule Latinos und Afroamerikaner sich aufmascherlten und Bälle abhielten, etablierte sich Voguing endgültig. Es war damals mehr als eine bloße Fummelparade. Die House genannten Zusammenkünfte waren liberale Enklaven und dienten oft als Ersatzfamilien für von ihren Familien verstoßene junge Lesben und Schwule.

Glamour is back

Seinen Höhepunkt erreichte das so eitle wie stolze Voguing Ende der 1980er-Jahre. Zum Sound der damals boomenden House Music brachte es den Glamour zurück ins New Yorker Nachtleben, der nach Disco verlorengegangen war. Diese Zeit bildet der Bildband Voguing and the House Ballroom Scene of New York City 1989-92 ab. Bands wie Blondie sowie Musikerinnen und Trendsetter wie Madonna (mit dem Song Vogue) oder Malcolm MacLaren brachten dem Mainstream-Publikum dieses Phänomen näher. 1990 präsentierte es die preisgekrönte Doku "Paris Is Burning" von Jennie Livingston in den Kinos. Der britische Verlag Soul Jazz veröffentlicht begleitend zu diesem Buch eine Sammlung jener Musik, zu der die Femme Queens und Butch Queens damals tanzten und über die Laufstege stelzten. Diese queere Selbstermächtigung findet heute ihre Ausläufer in jeder Regenbogenparade und ist in der Mode so präsent wie in der Popkultur. Doch wie immer war die Phase solcher Kulturen am spannendsten, als sie nur Eingeweihten vertraut war, sich nur sich selbst verpflichtet fühlte. Eine Ahnung von dieser Ära vermittelt dieses Buch mit einer umfassenden Einleitung von Tim Lawrence. (Karl Fluch, Album, DER STANDARD,10.03.2012)