Madrid - In Spanien ist es am Sonntag zu zahlreichen Protestmärschen gegen die Arbeitsmarktreform der konservativen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy (PP) gekommen. Nach Schätzungen spanischer Gewerkschaften gingen rund eine halbe Million Menschen in 60 spanischen Städten auf die Straße, um gegen die Arbeitsmarktreform zu protestieren, die eine Lockerung des Kündigungsschutzes und Kürzungen gesetzlicher Abfertigungen vorsieht, um Unternehmen zu Neuanstellungen zu animieren. Spaniens größte Gewerkschaften UGT und Comisiones Obreras kritisieren die Reform als einseitigen Abbau von Arbeitnehmerrechten und sozial unverträglichen Weg aus der Krise.

Die beiden Gewerkschaften wollten mit den Protestmärschen am Sonntag vor allem die Bevölkerung auf den am 29. März ausgerufenen Generalstreik gegen die Arbeitsmarktreform einstellen. UGT und Comisiones Obreras versuchen seit Wochen die konservative Regierung von Rajoy, die im Parlament eine absolute Mehrheit innehat, vergeblich an den Verhandlungstisch zu bringen, um die vor wenigen Tagen endgültige verabschiedete Reform zu modifizieren. Um mehr Druck auf die Regierung ausüben zu können, müssen die Gewerkschaftsführer allerdings mit einer starken Beteiligung der spanischen Bevölkerung am Generalstreik rechnen können.

Und diese ist keineswegs garantiert. Nach jüngsten Meinungsumfragen verschiedener spanischen Zeitungen und Institute, ist die Mehrheit der Bevölkerung zwar nicht von der Arbeitsmarktreform überzeugt. Dennoch halten die meisten Spanier mit Blick auf die aktuelle Wirtschaftskrise und eine Arbeitslosenquote von knapp über 23 Prozent den Moment für einen Generalstreik nicht angebracht. Fast 67 Prozent der Befragten einer Metroscopia-Umfrage befürchteten beispielsweise, eine landesweite Niederlegung der Arbeit könnte die Situation der Wirtschaft und das Ansehen Spaniens auf den internationalen Finanzmärkten nur noch verschlimmern.

Unterstützung aus der Politik

Aus ähnlichen Gründen konnte bereits im September 2010 der letzte Generalstreik nicht den von den Gewerkschaften gewünschten Erfolg erzielen. Der Aufruf zur landesweiten Arbeitsniederlegung gegen die wesentlich sanftere Arbeitsmarktreform und die Sparpolitik der sozialistischen Vorgängerregierung von Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero (PSOE) wurde regional und je nach Wirtschaftszweig sehr unterschiedlich befolgt.

An den Protestmärschen am Sonntag, die zur Mobilisierung der Bevölkerung für den Generalstreik am 29. März dienen, nahmen auch zahlreichen Oppositionspolitiker teil. "Die Arbeitsmarktreform ist unausgeglichen, bringt nur Vorteile für die Unternehmen und setzt die Arbeitnehmer vollkommen dem Willen der Firmen aus", begründete auch die sozialistische Parlamentssprecherin Soraya Rodriguez ihre Teilnahme am Madrider Protestmarsch.

Sie rief Ministerpräsident Rajoy auf, auf die "Stimme der Straße zu hören" und die kommenden Wochen zu nutzen, um den Generalstreik noch abzuwenden. Auch Cayo Lara, Vorsitzender der Vereinigten Linken (IU) forderte Rajoy während des Protestmarsches auf, sich mit den Gewerkschaften und den Oppositionsparteien an einen Tisch zu setzen, um die Arbeitsmarktreform zu modifizieren, welche die Regierung per Dekret und später mit der absoluten Mehrheit ihrer konservativen Volkspartei im Parlament gegen den Willen der Oppositionsparteien verabschiedet hat. Lara möchte den Generalstreik abwenden. Er sei allerdings das "letzte Instrument, um die Arbeitnehmerrechte zu verteidigten, die auf solch brutale Weise von der PP-Regierung beschnitten worden sind", so der IU-Parteichef. (APA, 11.3.2012)