Der Wahlsieg der sozialdemokratischen Oppositionspartei (Smer) des früheren Ministerpräsidenten Robert Fico bei der vorgezogenen Parlamentswahl bedeutet eine politische Wende in der Slowakei. Zum ersten Mal seit der Geburt des unabhängigen Staates (1993) gelang es einer Partei mit fast 45 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit der Parlamentssitze zu erringen. Das Resultat gibt dem mit allen Wassern gewaschenen 47-jährigen Taktiker der Macht praktisch einen Freibrief für die Gestaltung der Außen- und Innenpolitik.

Das Tor zu seiner triumphalen Rückkehr an die Macht wurde freilich durch den internen Streit in der Mitte-rechts-konservativen Koalitionsregierung bereits im vergangenen Oktober geöffnet. Damals hatte die christlich- demokratische Ministerpräsidentin Iveta Radicova eine mit der Vertrauensfrage verbundene Abstimmung über die Erweiterung des Eurorettungsschirmes verloren. Erst mit den Stimmen der Fico-Partei konnte dann doch ein Ja erreicht werden. Dafür musste die bankrotte Koalitionsregierung allerdings den Preis vorzeitiger Wahlen zahlen.

Es waren freilich die im Internet veröffentlichten Abhörprotokolle aus den Jahren 2005-2006 über Millionenprovisionen einer mächtigen Finanzgruppe an Politiker und hohe Beamte, die in erster Linie der damals regierenden, christlich-demokratischen Union (SDKU) geschadet haben. Deshalb verlor die Partei des früheren langjährigen Ministerpräsidenten Dzurinda jetzt Zwei Drittel ihrer Mandate. Auch die für den Sturz der Regierung verantwortlichen eurokritischen Liberalen büßten die Hälfte ihrer Sitze ein. Die Veröffentlichung des berüchtigten Geheimdienstsdossiers " Gorilla" hat das Vertrauen in der gesamten politischen Klasse erschüttert.Trotzdem ist Robert Fico der mit Abstand beliebteste Politiker geblieben. Da er im Gegensatz zu seiner ersten Regierungszeit einen proeuropäischen Kurs vertreten und von dem österreichischen Fraktionschef der Europäischen Sozialdemokraten, Hannes Swoboda, bereits vor dem Wahltag öffentlich ein positives Reifezeugnis erhalten hat, dürfte er sich in der Europapolitik trotz seiner absoluten Mehrheit kaum als eine Art "linker Orbán" entpuppen.

Für den Sieger bleibt aber der wahre Prüfstein für die Wandlung vom Populisten zum Konsenspolitiker die Haltung gegenüber der ungarischen Minderheit (9,7 Prozent der Bevölkerung). Der Wahlausgang war eine Ohrfeige für die Nationalisten. Die üble slowakische Nationalistengruppe (SNS) schaffte nicht den Einzug ins Parlament. Die massive TV- und Radiokampagne der gelenkten Budapester Medien zugunsten der fideszfreundlichen Partei der ungarischen Minderheit (MKP) und gegen die von der Orbán-Regierung jahrelang boykottierte ungarisch-slowakische Partei (Most-Hid) erwies sich wieder einmal als ein Bumerang. Während "Most" mit 13 Abgeordneten (davon neun Ungarn!) im neuen Parlament weiterhin vertreten wird, verfehlte die MKP wieder den Sprung über die Fünfprozentmarke. Nach seinem Triumph könnte Fico also einen (überfälligen) und auch von der EU erwarteten toleranten Kurs gegenüber der schrumpfenden ungarischen Minderheit einschlagen und damit die Extremisten hüben und drüben isolieren. (Paul Lendvai, DER STANDARD, 13.03.2012)