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Die Unfallstelle in einem Tunnel im Kanton Wallis: Der Fahrer des Busses hatte den Randstein gestreift und war anschließend frontal gegen die Ecke einer Nothaltestelle gekracht.

Foto: KANTONSPOLIZEI WALLIS/POLICE OF VALAIS, Handout/AP/dapd

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Der Unfallort Siders in der südlichen Schweiz.

Grafik: APA/DER STANDARD

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Schüler der Sint-Lambertus-Schule im belgischen Heverlee trauern um ihre Freunde.

Foto: EPA/OLIVIER HOSLET

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Eine Abordnung der belgischen Regierung kurz nach der Landung in Genf.

Foto: EPA/MARTIAL TREZZINI

Hosen, Jacken, Mützen, Handschuhe liegen verstreut auf der Fahrbahn. Die meisten Kleidungsstücke haben Kindergröße. Zerfetzte Reisekoffer stehen daneben. Das gleißende Licht der Ambulanzen flutet den Tunnel, Rettungshelikopter heben ab, Sirenen heulen. In der Nacht zum Mittwoch kämpften rund 200 Schweizer Ärzte, Sanitäter, Polizisten und Feuerwehrmänner gegen die Zeit: Ein belgischer Bus mit 52 Schülern und Lehrern war auf der Autobahn 9 im Wallis schwer verunglückt.

Die Passagiere wollten vom Winterurlaub in Anniviers zurück in die flämischen Orte Lommel und Heverlee, einige Kinder lebten in den Niederlanden. Dienstag um 21.15 Uhr prallte der Bus gegen die Mauer einer Pannebucht im Autobahntunnel. 28 Menschen starben - 22 Kinder um die zwölf Jahre, vier Lehrer und die beiden Busfahrer. Die anderen Passagiere erlitten teils schwerste Verletzungen, zumindest drei schweben in Lebensgefahr. Wer im vorderen Teil des Autobusses saß, hatte keine Überlebenschance.

Die Retter mussten die Seitenteile des zertrümmerten Gefährtes aufschneiden, um zu Verletzten und Toten zu gelangen. Ein Helfer, Alain Rittemer, sagte einem französischen Sender: "Es übersteigt alles Vorstellbare. So etwas habe ich in meinen 20 Jahren beim Notfalldienst noch nie erlebt." Andere Helfer kämpften mit den Tränen - der grausame Tod so vieler Kinder schockte die Männer.

Ein überlebendes Mädchen berichtet laut der Website des "Zürcher Tages-Anzeigers": "Die Sitze flogen umher, plötzlich fand ich mich eingeklemmt zwischen zwei Sitzen wieder." Die Zwölfjährige brach sich bei dem Unfall beide Beine und einen Arm. Andere Kinder, die lebend aus dem Wrack geborgen wurden, konnten nichts sagen. Der Schock hatte sie komplett verstummen lassen.

"Eine Tragödie dieses Ausmaßes hat es im Wallis noch nie gegeben", bilanzierte der Chef der Kantonspolizei, Christian Varone. Und: Im gesamten Alpenraum haben die Menschen seit dem Feuer im Mont-Blanc-Tunnel Ende der Neunzigerjahre eine vergleichbare Tragödie nicht mehr beklagen müssen.

Viele Angehörige wussten auch mehr als zwölf Stunden nach dem Unfall nicht, ob ihre Kinder tot sind oder verletzt überlebt haben. Die Identität vieler gestorbener Kinder konnte nicht sogleich geklärt werden - die Leichen waren zu stark verstümmelt. Am Mittwoch trafen die Angehörigen in der Schweiz ein. Auch der belgische Premierminister Elio Di Rupo und die Schweizer Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf eilten an den Unglücksort.

"Erste Erkenntnisse haben ergeben, dass der Fahrer die Herrschaft über das Fahrzeug verloren und einen Randstein touchiert hat, danach ist er frontal in eine Nothaltestelle des Tunnels geprallt", sagt der Mediensprecher der Walliser Polizei, Renato Kalbermatten.

Mehr als zwanzig Stunden nach der Katastrophe erklärte der Schweizer Ermittlungsrichter Olivier Elsig außerdem: "Der Bus fuhr nicht zu schnell". Und: Kein anderes Fahrzeug habe eine Rolle gespielt, die Straße sei nicht schadhaft gewesen. Täglich durchfahren durchschnittlich 15.000 Fahrzeuge den 2,5 Kilometer langen Tunnel.

Die Behörden ermitteln in drei Richtungen: Hatte das Fahrzeug einen Schaden? Litt der Fahrer unter Gesundheitsproblemen? Lag schlicht menschliches Versagen vor? Die beiden Busfahrer der Gesellschaft Toptours waren am Montagabend im Schweizer Ferienort eingetroffen und legten einen Ruhetag ein - ganz nach Vorschrift.

Die vermutlich letzten Lebenszeichen vieler Kinder fanden sich auf einem Blog. "Liebste Mama und Papa, es ist sehr cool. Aber ich vermisse euch so sehr", schrieb ein Bub aus Heverlee. Der Blog ist jetzt nicht mehr zugänglich. (Jan Dirk Herbermann aus Genf, DER STANDARD, 15.3.2012)