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Der Orionnebel - hier auf einer Aufnahme des Hubble Space Telescope - gehört zu den schönsten Sternenfabriken.

Foto: REUTERS/NASA,ESA, M. Robberto

In einer durchschnittlichen Galaxie wie der Milchstraße entstehen ständig neue Sterne. Fundierten Schätzungen zufolge wird dabei pro Jahr rund eine Sonnenmasse an Gas in neue Sterne umgesetzt. Ziehen Astronomen eine Gas- und Staubbilanz, müssen sie allerdings feststellen, dass die nachgewiesenen Mengen bei weitem nicht ausreichen, um erklären zu können, wie diese Galaxien in dem beobachteten Maße ständig neue Sterne bilden. Für dieses Problem haben die Forscher als Lösung einen gigantischen "Recycling"-Kreislauf vorgeschlagen und dafür in unserer galaktischen Nachbarschaft auch konkrete Anzeichen gefunden.

Nun hat eine neue Studie unter der Leitung von Kate Rubin vom Max-Planck-Institut für Astronomie auch bei entfernteren Galaxien erste direkte Hinweise auf einen wichtigen Baustein galaktischen Recyclings gefunden: Gas, das zu fernen Galaxien zurück fließt, in denen sich neue Sterne bilden.

Sternentstehungsgebiete, etwa der Orionnebel, gehören zu den schönsten astronomischen Beobachtungsobjekten. Verschafft man sich einen Überblick über das verfügbare Rohmaterial für die Sternenentstehung - Wolken von Gas und Staub - dann zeigt sich, dass unsere Galaxie ihre Stern-Produktionsrate aus diesem Reservoir nicht für mehr als ein paar Milliarden Jahre aufrecht erhalten könnte.

Wo ist das Rohmaterial?

Im Vergleich mit dem großen Alter unserer Galaxie legt das die Frage nahe: Befinden wir uns jetzt gerade in einer aus astronomischer Sicht eher kurzen, ganz besonderen Ära besonders schneller Sternentstehung? Altersbestimmungen an Sternen und der Vergleich mit anderen Spiralgalaxien zeigen, dass dies nicht der Fall ist. Eine Sonnenmasse pro Jahr ist eine typische Produktionsrate, und das führt auf ein ganz allgemeines Problem: Wo ist das Rohmaterial für diese Produktion?

Offenbar findet zusätzliche Materie ihren Weg in diese Galaxien. Eine Möglichkeit ist, dass Gas aus den riesigen Bereichen geringer Gasdichte, die den intergalaktischen Raum erfüllen, in die Galaxien strömt; es gibt freilich keine Anzeichen dafür, dass dies tatsächlich passiert. Als weiterer Mechanismus ist ein gigantischer kosmischer Materiezyklus ins Spiel gebracht worden: Schon länger ist bekannt, dass aus vielen Galaxien Materie herausströmt - etwa, weil gewaltige Supernova-Explosionen (mit denen massereiche Sterne ihr Leben beenden) Materie herausschleudern, oder weil sehr helle Sterne durch ihren schieren Strahlungsdruck Gas aus ihrer Nachbarschaft vertreiben.

Während das Gas von den Galaxien weg treibt, ist es dem ständigen Ziehen der Schwerkraft der Galaxie ausgesetzt - ist dieser Einfluss stark genug, so könnte das Gas über Zeiträume von einigen Milliarden Jahren wieder auf die Galaxie zurückstürzen. Das könnte die Lösung des Rätsels liefern, würde es doch bedeuten, dass das Gas, welches wir in den Galaxien finden, nur ungefähr die Hälfte des Rohmaterials repräsentiert, das für die Sternentstehung zur Verfügung steht - große Mengen von Gas befinden sich noch auf Reisen, werden aber zu späterer Zeit in die Galaxie zurückkehren. Zusammen genommen reichen das innergalaktische Gas und das Gas, das gerade den kosmischen Recyclingprozess durchläuft, aus, um die beobachteten Sternentstehungsraten zu erklären.

Beobachtungen bestätigen "Recycling"-Theorie

Für "lokale Galaxien", die bis zu einige hunderte Millionen Lichtjahre von uns entfernt sind, gibt es in der Tat Beobachtungen, die zeigen, wie Gas auf die Galaxie zurückströmt. Doch was ist mit weiter entfernten Galaxien, von denen bekannt ist, dass sie deutlich schnellere Ausflüsse aufweisen? Wäre die Schwerkraft dieser Galaxien zu schwach, um das herausgeschleuderte Gas wieder zurück zu ziehen, dann müssten die Astronomen ihre Modelle für die Materialzufuhr für Sternentstehung auf galaktischen Skalen grundlegend überdenken.

Jetzt hat eine Gruppe von Astronomen unter der Leitung von Kate Rubin (MPIA) das Keck I-Teleskop auf Mauna Kea, Hawaii, genutzt, um das Gas von hundert Galaxien zu untersuchen, die zwischen 5 und 8 Milliarden Lichtjahren (z ~ 0,5 - 1) von uns entfernt sind. Für sechs dieser Galaxien fanden Rubin und ihre Kollegen erstmals direkte Anzeichen, dass im intergalaktischen Raum treibendes Gas wieder auf Galaxien zurück strömt, in denen es dann zur Sternentstehung beiträgt. Dabei dürfte die beobachtete Strömung auch von der Orientierung der Galaxie relativ zum Beobachter abhängen; außerdem messen Rubin und ihre Kollegen nur die durchschnittliche Gasbewegung.

Die Gesamtzahl der Galaxien, in die Gas einströmt, dürfte daher deutlich über den direkt aus den Messdaten folgenden 6 Prozent liegen und könnte bis zu 40 Prozent betragen. Damit haben die Astronomen ein wichtiges Puzzlestück des kosmischen Recyclings ("galaktische Fontänen") gefunden - und einen überzeugenden Hinweis darauf, dass sich das Rätsel des fehlenden Rohmaterials auf diese Weise lösen lässt. (red)