UN-Schätzungen gehen auch davon aus, dass im Jahr 2025 zwei Drittel der Menschheit an Wasserknappheit leiden werden.

Foto: Wiener Wasserwerke, Jakab

Wien - "Glasklares Trinkwasser statt lästigem Kistenschleppen", wirbt ein Sodahersteller für sein Heim-Aufsprudler-System: "In der edlen Glaskaraffe ... kann Trinkwasser bequem individuell aufgesprudelt und elegant serviert werden" - das schütze die Umwelt, schone das Geldbörsel und helfe, mühsame Einkäufe zu vermeiden. So sehen die Luxusproblemchen und ihre Lösungen im mitteleuropäischen Raum aus. In anderen Regionen der Welt ist das Thema Wasser hingegen immer noch eines von Leben oder Tod.

Im Kongo etwa griff Anfang des Jahres die Cholera um sich: Neun der elf Provinzen waren Ende Februar bereits von der Epidemie betroffen; 26. 000 Menschen von der Krankheit infiziert; mehr als 640 Menschen waren seit Anfang des Jahres bereits gestorben. Die Ursache: der mangelnde Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen. Das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) nennt als Beispiel die Stadt Bunia im Nordosten des Landes, wo ein Drittel der 100.000 Einwohner seit Anfang des Jahres von Trinkwasser abgeschnitten sind. Ein Auslöser der Krise: Der seit Jahren andauernde Konflikt im Nordkongo, durch den tausende Menschen vertrieben wurden.

Dürre in der Sahelzone

Die nächste humanitäre Katastrophe bahnt sich bereits in der westlichen Sahelzone an: Laut UN-Angaben sind dort mehr als zehn Millionen Menschen durch eine schwere Dürre akut vom Hungertod bedroht. In den am schlimmsten betroffenen Ländern Mali, Tschad, Niger, Mauretanien, Burkina Faso und Senegal sei eine Nothilfe von mehr als 700 Millionen Dollar (umgerechnet mehr als 530 Millionen Euro) notwendig, um die Menschen mit Essen, Wasser, sanitären Mitteln und Medikamenten zu versorgen, warnte die Uno Mitte Februar.

Dabei gibt es, global gesehen, durchaus Fortschritte bei der Wasserversorgung, wie der Anfang März präsentierte Weltwasserbericht der Vereinten Nationen zeigt: Immerhin 89 Prozent der Weltbevölkerung hätten demnach bereits Zugang zu sauberem Wasser. Das ist immerhin ein Prozentpunkt mehr, als das für 2015 formulierte "Millenniumsziel" vorsah. Im Jahr 1990 lag dieser Wert noch bei 76 Prozent - jetzt hoffen die Experten, dass der Anteil bis zum Zieljahr 2015 auf 92 Prozent gesteigert werden kann. Dass heute bereits zwei Milliarden Menschen mehr als noch 1990 Zugang zu sauberem Wasser haben, ist für UN-Generalsekretär Ban Ki-moon "ein großer Erfolg für die Menschen der Welt".

Elf Prozent schlecht versorgt

89 Prozent - das heißt allerdings auf der anderen Seite auch, dass immer noch elf Prozent der Menschheit zu wenig Wasser zum Überleben haben - oder Wasser trinken müssen, das krankmachen kann. "783 Millionen Menschen, die keinen Zugang zu einer sauberen Quelle haben", betonte Unicef-Direktor Anthony Lake bei der Präsentation des Weltwasserberichts. "Jeden Tag sterben mehr als 3000 Kinder an Durchfallerkrankungen."

Brennpunkt der Wasserknappheit ist nach wie vor Afrika: Dort haben immer noch lediglich 63 Prozent Zugang zu sauberem Wasser. Die signifikante statistische Verbesserung ist vor allem auf die Entwicklung in China und Asien zurückzuführen: Jeder zweite der zwei Milliarden Menschen, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten sauberes Wasser bekamen, ist Inder oder Chinese. Mit zusammen 2,5 Milliarden Einwohnern prägen diese beiden Länder die Statistik immens. In China stieg der Prozentsatz der Menschen mit sicherer Quelle seit 1990 von 67 auf 91 Prozent. In Indien sind es fast die gleichen Werte: Sie stiegen im gleichen Zeitraum von 69 auf 92 Prozent.

Sauberes Wasser wird knapper

Das saubere Wasser, über das nun mehr Menschen verfügen, wird allerdings auch immer knapper: Diese Woche legte die Uno beim Weltwasserforum in Marseille auch Zahlen auf, wonach jährlich 3,5 Millionen Menschen wegen schlechter Wasserversorgung sterben. UN-Schätzungen gehen auch davon aus, dass im Jahr 2025 zwei Drittel der Menschheit an Wasserknappheit leiden werden. Der WWF ortet bereits jetzt eine "Zuspitzung der globalen Wasserkrise": Allein seit der Jahrtausendwende habe es weltweit 50 gewaltsame Konflikte gegeben, bei denen es um die Nutzung von Wasser ging, berichtete der WWF-Wasserexperte Martin Geiger diese Woche bei der Eröffnung der Welt-Wasserkonferenz.

Die Tatsache, dass neun Staaten - Brasilien, Russland, China, Kanada, Indonesien, Indien, Kolumbien, die Republik Kongo und die USA - über 60 Prozent der verfügbaren Süßwasservorkommen haben, könne bei einer Verschärfung der Wasserkrise wie ein Brandbeschleuniger wirken.

"Große Lobbyveranstaltung"

Das Weltwasserforum wurde vom Attac-Wassernetzwerk Aquattac allerdings auch als "große Lobbyveranstaltung der Wasser- und Energiewirtschaft" kritisiert: Die französischen Wasserversorgungsunternehmen Veolia und Suez, die das Weltwasserforum mitorganisiert hatten - hätten schon vor Beginn die Abschlusserklärung vorformuliert.Weit weniger erfolgreich als bei den Bemühungen um sauberes Wasser sind die Vereinten Nationen übrigens mit ihrem Ziel, den Anteil der Menschen mit Zugang zu hygienischen Toiletten zu erhöhen. Rund 1,1 Milliarden Menschen müssen ihre Notdurft praktisch im Freien verrichten. Zwei Drittel der Betroffenen sind Inder. Die Zahl der Inder, die ein Mobiltelefon besitzen, ist übrigens deutlich höher als jene der Inder mit Toilette. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, 17./18.3.2012)