Warschau/Krakau - Mitarbeiter der im Februar gestorbenen polnischen Literaturnobelpreisträgerin Wislawa Szymborska haben einen Band mit unveröffentlichten Frühwerken der Dichterin entdeckt. Die Werke, darunter auch einige bisher nicht bekannte erotische Dichtungen, stammten aus dem Jahr 1949, berichtete die Zeitung "Gazeta Wyborcza" am Samstag.

"Der Band wurde von der Zensur nicht zugelassen, weil er nicht dem sozialrealistischem Stil entsprach und Frau Szymborska hat sich später nicht zu ihm bekannt", sagte Szymborskas langjähriger Privatsekretär Michal Rusinek der Zeitung. Der Band war bei der Auflösung von Szymborska Wohnung entdeckt worden.

"Das ist ein typisches Jugendwerk, nicht die Arbeit der reifen Dichterin, an die wir gewöhnt sind", sagte Rusinek, der dennoch auf eine Veröffentlichung des ersten Gedichtbands Szymborskas hofft. "Das ist ein fehlendes Stückchen Literaturgeschichte, in dem Themen auftauchen, die auch später im Werk Szymborskas zurück kehren."

Szymborska war am 1. Februar im Alter von 88 Jahren an Lungenkrebs gestorben. Die Dichterin, die 1996 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde und die Öffentlichkeit stets gescheut hatte, hatte bis zuletzt an neuen Gedichten gearbeitet. Dass ihr erster und bisher unbekannter Gedichtband von der Zensur des damals kommunistischen Polen zurück gehalten wurde, dürfte auch zu einer neuen Einschätzung ihres bekannten Frühwerkes führen: Kritiker hatten ihr vorgeworfen, sich an den sozialrealistischen Stil angepasst und erst später den Mut zu ihrer eigenen Darstellung gehabt zu haben. (APA, 17.03.2012)