Staatsterror war für Diktatoren jeglicher Spielart schon immer ein probates Mittel, das Volk einzuschüchtern und von Problemen abzulenken. Stalin, Hitler, Mao und die Roten Khmer in Kambodscha brachten es darin zu einer Meisterschaft, die Millionen Menschen das Leben kostete. Aber die Liste gelehriger Schüler ist lang.

Der Verdacht, dass auch der Anschlag auf eine U-Bahn-Station in der weißrussischen Hauptstadt Minsk am 11. April 2011 ein Akt staatlichen Terrors war, konnte durch die vorgebliche schnelle Aufklärung des Verbrechens nicht ausgeräumt werden. Im Gegenteil: Ungereimtheiten und Widersprüche häuften sich, nachdem die Verdächtigen nur Stunden nach dem Anschlag ausfindig gemacht waren und Diktator Alexander Lukaschenko persönlich die Klärung des Falles verkündete.

Aber die offiziellen Darstellungen widersprachen einander in vielen Punkten. Ungeklärt blieb vor allem die zentrale Frage: Welches Motiv sollten zwei bis dahin unauffällige junge Männer haben, ein Blutbad unter ihren Landsleuten anzurichten? Nicht nur innerhalb der geknebelten weißrussischen Opposition ist daher die Überzeugung weitverbreitet, dass der Anschlag vom Regime inszeniert wurde. Mit der raschen Hinrichtung der beiden Verurteilten sollten die entscheidenden Mitwisser beseitigt werden, wie das zuvor schon mit den umstrittenen Beweisen geschehen sei, vermuten viele.

Weißrussland erlebt die schwerste Wirtschaftskrise seit der Unabhängigkeit und hängt am Tropf des großen russischen Bruders. Beim Gipfel der Eurasischen Union am Montag in Moskau durfte sich Lukaschenko dennoch als Gleicher unter Gleichen geben - und nicht zu Unrecht. Denn obwohl es graduelle Unterschiede in der Machtpraxis gibt, gilt auch für Russland, die Ukraine und Kasachstan nach wie vor: Die Justiz ist Instrument der Politik. (Josef Kirchengast, DER STANDARD, 20.3.2012)