Der Fiskalpakt für mehr Budgetdisziplin in Europa ebnet den Weg in die wirtschaftliche "Depression", sagt Ökonom Stephan Schulmeister. Die Globalisierungskritiker von Attac sprechen von Aushöhlung der Demokratie, von sozialem Kahlschlag. Die FPÖ sieht die "Aufgabe der nationalen Souveränität". Kurzum: Es gibt kaum eine schlechte Eigenschaft, die dem Fiskalpakt nicht nachgesagt wird. Vieles davon ist überzogen. Interessanterweise blieb eine zentrale Frage bisher unbeachtet: Taugt der Vertrag dazu, die aktuelle Staatsschuldenkrise zu entschärfen und künftige zu verhindern? Das ist das erklärte Hauptziel des Abkommens. Die Antwort fällt ernüchternd aus.

Für die Entschärfung der aktuellen Krise kommen die neuen Regeln zu spät. Der Vertrag, der von 25 EU-Ländern unterschrieben wurde, proklamiert zwar das Ende der Schuldenmacherei. Gelten werden die Bestimmungen aber nur mit langen Übergangsfristen. Der Zwang zum Schuldenabbau gilt für Österreich erst ab 2016. Nervöse Investoren, die Europa heute skeptisch beäugen, werden sich davon nicht beruhigen lassen.

Aber auch als Mittel, um künftige Krisen zu verhindern, taugt der Fiskalpakt nur bedingt. Vor Krisen sind Staatsschulden nämlich oft nicht das Problem, sondern Exzesse im Banken und Finanzsystem. Beispiel Spanien: Zwischen 2003 und 2007, als die spanische Immobilienblase ihren Höhepunkt erreichte und schließlich platzte, sank der Schuldenstand des Landes. Der Haushalt erwirtschaftete Überschüsse. Wäre der Fiskalpakt schon im Jahr 2000 eingeführt worden, Spanien hätte als Musterschüler gegolten. Ähnlich Irland: Dort lag die Verschuldung vor dem Kollaps der Banken 2008 bei 24 Prozent der Wirtschaftsleistung. Portugal ist ein Grenzfall. Klar verletzt hätten den Pakt immer Italien und Griechenland.

Durch den Fokus auf die Verschuldung hätte also nur ein Teil der Probleme Europas vermieden werden können. Die EU geht das Schuldenthema offensiv an, in anderen wichtigen Bereichen fehlt diese Entschlossenheit. So wurde im Bankenwesen zwar herumgedoktert. Effektive Beschränkungen, die das Entstehen neuer Blasen verhindern würden, gibt es nicht. Das "too big to fail"-Problem der Banken, das Irland in die Tiefe riss, ist ungelöst. Brauchbare Antworten schuldig blieb Europa bisher auch beim Thema Ungleichheiten bei der Wettbewerbsfähigkeit.

Die Kritiker des Fiskalpaktes zielen also in die falsche Richtung: Natürlich muss die EU die Haushaltspolitik besser koordinieren. Dazu zählt auch die Abgabe von Souveränitätsrechten an Brüssel. Wenn Österreichs Parlament beschließt, Kompetenzen an Brüssel abzugeben, ist das nichts Undemokratisches.

Ob der Sparzwang wirklich die "Depression" und den sozialen Kahlschlag bringt, ist offen. Die große Frage wird sein, wie und bei wem gespart wird. Genug Reichtum wäre ja da. Nur einer Illusion sollte sich niemand hingeben: Der neue Fiskalpakt macht Europa kaum sicherer. (András Szigetvari, DER STANDARD, 21.3.2012)