Linz erwischte KAC-Goalie Chiodo nur aus unmittelbarer Nähe, der Rekordmeister überwand Westlund aus der Distanz.

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Der Stellungsfehler vor dem 1:0 für Linz: KAC-Defender Schumnig (rot) verharrt an der blauen Linie, Philipp Lukas (blau) entwischt ihm, Mayr (schwarz) leitet das Breakaway ein.

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Das zwischenzeitliche 2:0 für Linz: Alle fünf KAC-Spieler orientieren sich in Richtung des scheibenführenden MacDonald (schwarz), Hisey (blau) schleicht sich hinter seinen Gegenspieler Kirisits (rot) und fälscht die Scheibe ins Tor ab.

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Schwungvoll und mit beachtlichem Offensivdrang startete der EHC Linz in das erste Spiel der vierten Finalserie seiner Klubgeschichte, konnte seine deutliche spielerische Überlegenheit in der Anfangsphase jedoch nicht in Tore ummünzen. Die Abwehr der Klagenfurter, in der Routinier Herbert Ratz erneut nur den Platz als siebter Verteidiger einnahm und somit kaum zu Spielanteilen kam, hielt von Beginn an gut dagegen. Ein Befund, der in weiterer Folge für den Verlauf des gesamten Spiels Gültigkeit erlangen sollte.

Optische Überlegenheit

Bei der statistisch betrachtet torgefährlichsten Mannschaft der Liga (3,61 Treffer pro Saisonspiel) blieben im ersten Finalspiel (Nachlese des Live-Tickers) vor allem die heuer so überzeugend agierenden ersten beiden Angriffsformationen um die Center Mike Ouellette und Rob Hisey unter ihren Möglichkeiten. Zwar erarbeiteten sich vor allem diese beiden Linzer Blöcke eine optische Überlegenheit, letztlich generierten sie jedoch zu wenige zwingende Chancen. Symptomatisch, dass die beiden Mittelstürmer zwar starke 62,5 Prozent ihrer Faceoffs gewinnen und ihr Team somit häufig in Scheibenbesitz bringen konnten, wirklich erfolgversprechende Einschussgelegenheiten jedoch Mangelware blieben. Ein Grundtenor, der sich speziell im Überzahlspiel bestätigte: Benötigte Linz in den bisherigen Saisonheimspielen nur 6:48 Powerplay-Minuten für einen Treffer, blieb man im ersten Finale in vollen zwölf Minuten mit einem Mann mehr am Eis ohne Tor.

Individuelle Fehler

Die schnörkellos souveräne KAC-Abwehr konnte sich zudem einmal mehr auf Torhüter Andy Chiodo als letzte Absicherung verlassen. Der kanadische Goalie prolongierte seine starke Post Season auch in Linz und agiert aktuell um eine Klasse abgeklärter als in der letztjährigen Finalserie gegen Salzburg. In Bedrängnis zu bringen war die Defensive der Rotjacken an diesem Abend nur, wenn sie selbst Fehler produzierte. So etwa in der 26.Minute, als Martin Schumnig im Powerplay trotz des Scheibenverlusts seiner Stürmer zu lange und statisch auf seiner Blueliner-Position verharrte, Linz-Kapitän Philipp Lukas entwischen ließ und diesen bis zum erfolgreichen Abschluss seines Konters auch nicht mehr einholen konnte.

Dem zweiten Treffer der Black Wings vier Minuten später gingen ebenso Unachtsamkeiten der Klagenfurter Hintermannschaft voraus: Nach einer überstandenen Unterzahlsituation brauchten die Rotjacken zu lange, um wieder in ihre Formation zu finden. Alle fünf Cracks orientierten sich in Richtung des scheibenführenden Gegenspielers, sodass sich der von Johannes Kirisits unzureichend genau markierte Rob Hisey in den Rücken der Abwehr schleichen und Chiodo aus kurzer Distanz per Deflection bezwingen konnte.

Linz macht den Sack nicht zu

Seine Wendung erfuhr das Spiel schließlich in den letzten Minuten des Mittelabschnitts, als es Linz verabsäumte, für die Vorentscheidung zu sorgen, und ein weiteres Powerplay ungenützt ließ. Stattdessen konnte Tyler Scofield in Minute 36 nach einem schnell und direkt vorgetragenen Angriff für den KAC verkürzen, wobei weder der in dieser Situation zu zaghafte Jan-Axel Alavaara noch Alex Westlund eine besonders gute Figur machten. Der kanadische Stürmer, der nun in jedem seiner acht Finalspiele für die Rotjacken punktete, lieferte die Initialzündung für sein Team, das sich zuvor über knapp zwei Drittel in Sachen Offensivdrang nur mäßig ambitioniert präsentiert hatte. Gleichzeitig verloren die Oberösterreicher die Kontrolle über das Spiel und bauten fortan was Spielwitz, Tempo und Variation betrifft kontinuierlich ab.

Westlund wackelt

Dass dem Rekordmeister im Schlussdrittel der Ausgleich und gut zwei Minuten vor dem Ende gar noch der Siegtreffer gelang, war einerseits Konsequenz der eigenen spielerischen Steigerung, andererseits jedoch auch dem Umstand geschuldet, dass Linz-Goalie Westlund nicht den besten Abend seiner Saison erwischte. Gleich zwei Mal konnte ihn Johannes Kirisits - zuvor mit zwei Toren in 62 Play-Off-Karriereeinsätzen - mit Distanzschüssen bezwingen. Besonders den Game Winner muss sich der US-Torhüter ankreiden lassen: Durch schlechte Positionierung öffnete er einen viel zu großen Winkel und ging trotz weitestgehend freier Sicht deutlich zu früh in den Butterfly.

Nach dem ersten von bis zu sieben Spielen um den Meistertitel 2012 sind die Schlussfolgerungen recht eindeutig: Klagenfurt hat die verwundbaren Stellen des gegnerischen Goalies bereits entdeckt, Linz sucht diese noch und sollte zudem auch eine plausible Erklärung für den rapiden Leistungsabfall in den letzten 25 Spielminuten finden. Die KAC-Abwehr steht kompakt, agiert aber unter Druck nicht gänzlich fehlerfrei. Gelingt es Linz, hier anzusetzen und auch seine Powerplay-Effizienz wieder zu steigern, kann sich der Grunddurchgangssieger den in Spiel eins verlorenen Heimvorteil durchaus wieder zurückholen. Offensiv derart harmlose Rotjacken wie in den ersten 35 Spielminuten am Donnerstagabend werden in dieser Serie noch Probleme bekommen, Abhilfe könnte die Rückkehr von Tyler Spurgeon ins Lineup und die damit verbundene Reunion des in den letztjährigen Play-Offs so starken „T'n'T-Duos" Scofield/Spurgeon schaffen. (Hannes Biedermann; derStandard.at; 23.März 2012)