Wien - Laut der bisher größten Studie über den Einfluss der individuellen Genetik von Patientinnen auf die toxische Wirkung von Chemotherapien gegen Brustkrebs lässt sich vorhersagen, welche Patientinnen mit den schwersten Nebeneffekten zu rechnen haben. Dabei geht es vor allem um akute Schädigungen des Knochenmarks und Folgeerscheinungen wie Schwächung des Immunsystems und Gerinnungsstörungen. Die Studienergebnisse präsentierte am Freitag bei der Europäischen Brustkrebskonferenz (EBCC-8) in Wien Christof Vulsteke von der Katholischen Universität Leuven in Belgien.

Die Wissenschafter untersuchten die Nebeneffekte anhand der Blutproben von 1.089 Brustkrebspatientinnen, die zwischen dem Jahr 2000 und 2010 drei häufig verschriebene Chemotherapeutika (Fluorouracil, Epirubicin und Cyclophosphamid) erhalten hatten. Dabei wurde für jede Patientin ein Vergleich zwischen der Variabilität in jenen Genen, die für den Abbau bzw. die Umwandlung der drei Wirkstoffe im Körper von Bedeutung sind, und den Nebenwirkungen angestellt, die bei dieser Patientin aufgetreten waren.

Immunität vorab steigern

"Wir erkannten, dass eine genetische Variabilität eines bestimmten Gens eine hohe Korrelation mit den Nebenwirkungen der Chemotherapie bei der betreffenden Person aufweist", erklärte Vulsteke. Würde man nun eine Untersuchung vor Beginn der Chemotherapie durchführen, könnte man die Patientin entweder mit Wachstumsfaktoren zur Steigerung ihrer Immunität unterstützen, die Dosis anpassen oder ein anderes, für die betreffende Person besser geeignetes Chemotherapeutikum verwenden bzw. eine Kombination aus diesen Möglichkeiten wählen.

Im Detail untersuchten die Wissenschafter den Einfluss von Varianten eines Resistenzgens für Arzneimittel (Multi Drug Resistance Protein 1) und des Gens für ein Enzym, das mit der Verwertung der Chemotherapeutika im Körper in Verbindung steht. Dabei zeigte sich - je nach Genvariante - eine doppelte, dreifache oder gar zehnfache Häufigkeit schwerer Nebenwirkungen auf das blutbildende System. Das war hoch signifikant.

"Unsere Forschungsarbeit hat uns auf dem Weg zu einer individuell angepassten Chemotherapie mit minimalen Nebenwirkungen einen Schritt weiter gebracht", erklärte Vulsteke. Die Wissenschafter wollen jetzt Daten aus anderen europäischen Ländern erheben. Auch die eigenen Patientinnen werden sie weiter beobachten. Momentan ist eine durchschnittliche Beobachtungszeit von fünf Jahren geplant. (APA, 23.3.2012)