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Wolner: "Es ist eine neue Welt dazugekommen, Tennis war eine Erweiterung meines Lebens."

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Standard: Warum hören Sie als Tennisverbandspräsident auf?

Wolner: Weil ich schon das letzte Mal, als ich gewählt wurde, gesagt habe, dass es meine letzte Periode ist. Dann bin ich über 70, und ich will nicht in der Muppet Show auftreten. 15 Jahre sind genug. Ich bekam den Auftrag, einen Nachfolger zu suchen und vorzuschlagen. Das Anforderungsprofil war klar. Ich wollte keinen Quereinsteiger, der sich erst einmal zwei Jahre zurechtfinden muss. Der Neue soll sich im Sport, im Tennis, auskennen. Er muss öffentlichkeitswirksam sein. Und er soll etwas geleistet haben.

Standard: Sie haben sich für Ronald Leitgeb entschieden, obwohl das Verhältnis nicht immer konfliktfrei war. Als Ex-Manager von Thomas Muster und Ist-Manager von Jürgen Melzer und Tamira Paszek hat er logischerweise auch andere Interessen. Was kann Leitgeb besser als Wolner?

Wolner: Es geht nicht um den Vergleich, so viel Selbstbewusstsein habe ich schon. Vielleicht macht er manche Dinge anders. Ich übergebe jedenfalls einen soliden, streitfreien Verband mit finanziellen Rücklagen. Das Daviscupteam steht im Viertelfinale. Dafür kann ich allerdings nichts.

Standard: Ist Leitgeb eine integrative Figur?

Wolner: Das wird er beweisen müssen. Aber wie er sich zuletzt eingebracht hat, das war höchst professionell und uneigennützig.

Standard: Als Sie 1997 kamen, war Musters Karriere im Auslaufen. Ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, um ein Amt zu übernehmen, oder?

Wolner: Ja. Ich habe die Situation verkannt. Hätte ich gewusst, wie schwierig es ist, hätte ich es nie gemacht. Die Luft war draußen. Es gab nur ein riesiges Loch. Vor allem bei den Herren. Nur der Stefan Koubek war ein kleines Licht.

Standard: Warum wird ein Herzchirurg Präsident eines Sportverbands? Aus Eitelkeit?

Wolner: Ich hatte eigentlich viel zu tun, war auf dem Höhepunkt meiner beruflichen Laufbahn. Eitelkeit hätte ich als Herzchirurg ausleben können. Zwei Wochen vor der Generalversammlung saß ich in einer, sagen wir, lustigen Runde. Der Wiener Verbandspräsident Sterba war dabei. Und er hat gesagt, wir brauchen einen Chef, mach du das. Ich, der mehr oder weniger begabte Hobbyspieler, war dann bei den Landespräsidenten, die haben mich beschnuppert. Einer hat gesagt, ich muss mich auch darum kümmern, dass im Verbandsbüro die Toiletten gereinigt sind. Ich hab geantwortet, aber nur dann, wenn ich selbst aufs Klo muss. Und so wurde Wolner gewählt.

Standard: Es wurde viel Arbeit, auch ohne die Klos zu putzen.

Wolner: Der Verband war in einer katastrophalen Situation. Meine Vorgänger hatten keinen Zugang zu den Medien, dadurch konnten Spieler und Manager machen, was sie wollten. Der ÖTV hatte sich in Geiselhaft der Clans begeben. Die Geschichte begann mich zu interessieren. Ich hatte ja ein großes Netzwerk, war Teil der Wiener Gesellschaft. Und jetzt ist eine neue Welt dazugekommen, Tennis war eine Erweiterung meines Lebens. Natürlich ist jeder Mensch narzisstisch. Man muss in gewissen Funktionen etwas darstellen.

Standard: Ist das System der ehrenamtlichen Funktionäre noch zeitgemäß?

Wolner: Ehrlich gestanden ist es nur bedingt zeitgemäß. Die großen Verbände helfen sich dadurch, dass die Generalsekretäre die Geschäfte führen. Oft ist der Präsident eher ein Aufsichtsrat.

Standard: Ist der Einfluss der Politik zeitgemäß? Es gibt rote und schwarze Verbände, man teilt sich den Sport brav auf.

Wolner: Das ist ein Vor- und ein Nachteil. Austria-Fan Häupl muss als Bürgermeister auch für Rapid sorgen. Die einen haben den Verbund als Sponsor, die anderen Wien Energie. Die verkaufen den Strom so und so, der Sinn liegt bei null. Aber es geht um Wählerstimmen. Trotzdem ist es gut und notwendig, dass der Sport unterstützt wird. Damit er am Leben bleibt.

Standard: Woran krankt der Sport bei uns? Wie lautet Ihre Diagnose?

Wolner: Vergleichen wir uns mit dem kleineren Kroatien, das ist in fast allen klassischen, olympischen Sportarten großartig. An der Übersättigung oder daran, dass es uns zu gut geht, liegt es nicht. Das Hauptproblem ist, dass wir eine ganz schlechte Sportförderung im Grundschulbereich haben. Wir erreichen die Kinder nicht - ausgenommen im Fußball, und da sind es in erster Linie Migranten. Nur jene, die von den Eltern gefördert werden, fallen irgendwann auf. Marcel Hirscher ist ein klassisches Beispiel. Sein Vater hat eine Skischule. Ich will die Leistungen des Skiverbandes nicht schmälern, aber der spielt nur gegen zehn andere auf der Welt. Zweitens ist das Skifahren die wichtigste Säule im Tourismus.

Standard: Steuern wir auf eine kranker werdende Gesellschaft zu? Gespart wird an Turnstunden.

Wolner: Ja. Noch einmal. Das Hauptproblem sind innerschulische Konflikte. Der Lateinlehrer ist wichtiger als der Turnlehrer. Ich kann und will nämlich nicht glauben, dass in den Sportverbänden nur Deppen sitzen.

Standard: Ist der Spagat zwischen Breiten- und Spitzensport eigentlich schwierig?

Wolner: Nein. Die Tennisklubs, die gut geführt sind, haben keine Mitgliederprobleme. Auch im Spitzensport sind wir auf private Initiativen angewiesen - obwohl die Ergebnisse der Privaten bei uns zuletzt nicht großartig waren. Die besten Spieler wurden vom Tennisverband ausgebildet.

Standard: Hat Tennis gegen die Trendsportarten eine Chance? Es ist weder schick noch geil und extrem, passt kaum in die, sagen wir, Red-Bull-Generation.

Wolner: Tennis ist sehr schwer zu lernen. Alle klassischen Sportarten stehen in großer Konkurrenz zu den Trendsportarten. Nur Fußball ist auf der sicheren Seite. Kicken können alle Kinder ohne großen Aufwand, der Ball muss einfach nur ins Tor.

Standard: Am Sonntag werden Sie zum Ehrenpräsidenten gewählt.

Wolner: Schön, freut mich. In Österreich ist das wohl so üblich.(Christian Hackl, DER STANDARD, 24./25. März)