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Lukas Papademos.

Foto: Thanassis Stavrakis/AP/dapd

Politikberater Yiannis Loulis.

Foto: Markus Bernath

Früher war alles einfach, sagt Yiannis Loulis. Wenn er wieder einmal ein Buch zur Lage der Nation schreiben sollte, dann begann er zur Mitte einer Legislaturperiode, weil dann schon klar war, wie es dieses Mal enden würde: „Wenn es mit den einen abwärts ging, kamen die anderen wieder hoch.“ Pasok und Nea Dimokratia, Nea Dimokratia und Pasok. Sieben Mal seit dem Sturz der Junta 1974 haben in Griechenland die Konservativen das Ruder übernommen, sieben Mal die Sozialisten. Dann kam die Finanzkrise.

Loulis, ein in Alexandria geborener Politikberater, Dozent und Kolumnist, zeichnet heute das Bild einer desorientierten griechischen Wählerschaft. „Dies sind sehr wütende Leute, sie wollen nicht mehr für eine der beiden großen Parteien stimmen.“ Sie sind auch voller Widersprüche: Die Griechen wollen weiter eine Koalitionsregierung und keine Alleinherrschaft einer Partei, für die Antonis Samaras, der Chef der ND, diese Woche erst wieder plädierte; sie stimmen also für kleine Parteien, was jedoch zu einer Zersplitterung des nächsten Parlaments führen wird und unsicher macht, ob überhaupt eine ausreichende Mehrheit für eine Fortführung des Sparkurses und der auferlegten Politik der Kredithilfe zustande kommt.

Die Griechen unterstützen – laut Umfragen zumindest – besonders die linken Gegner der Sparmaßnahmen: die Kommunisten (KKE), das Linksbündnis Syriza, die Demokratische Linke (Dimar), die neue Pasok-Dissidentenpartei „Sozialer Pakt“; es ergibt derzeit einen Stimmanteil von 35 bis 40 Prozent. Loulis setzt den Anteil der griechischen Wähler, die sich als politisch links identifizieren, jedoch nur bei 14 Prozent an. Den großen Linksruck im Land gäbe es nicht, sagt er. Umfragen zeigen: 70 Prozent der Griechen sind für Privatisierungen und Entlassungen im Beamtenapparat; fünf von sechs Griechen denken, dass private Unternehmen besser arbeiten als öffentliche. Die Mehrheit hält die Sparauflagen der Troika für falsch, die große Mehrheit will aber auch den Euro behalten, der verloren wäre, sollte Griechenland aus dem Sparprogramm aussteigen.

Die Widersprüchlichkeit der griechischen Wähler hat noch eine tiefere Ursache: Anders als in den Krisenländern Spanien, Portugal oder Irland ist in Griechenland nicht nur das Finanzsystem zusammengebrochen, sondern auch das Parteiensystem. Als die Finanzkrise offenbar wurde, verlor in Spanien und Portugal die regierende Linke die Wahlen, und es gewann die Rechte. In Griechenland sind Pasok wie ND abgestürzt, die einen auf zuletzt 12,5 Prozent, die anderen auf 22,5. „Das System der beiden Großparteien war schon seit den 1990er-Jahren fragil geworden. Es hat nur keine Krise gegeben, deshalb lief alles weiter“, sagt Loulis, „aber beide Parteien waren leere Hülsen“. Nach der Ära von Andreas Papandreou versprach Kostas Simitis (1996-2004) als Chef der Sozialisten den Griechen noch einmal einen politischen Neubeginn und enttäuschte; ebenso erging es ihnen mit Kostas Karamanlis (2004-2009) von der ND.

Pasok steht heute als der größere Verlierer da. Der neue Parteichef Evangelos Venizelos wird mit der Botschaft von Stabilität und der Notwendigkeit einer Koalitionsregierung in den Wahlkampf gehen. Das könnte zumindest einen Teil der Wähler am Ende davon abbringen, kleinen Protestparteien die Stimme zu geben. Für die Mehrheit von 151 Sitzen im Parlament bräuchten ND und Pasok laut Wahlforschern um die 35 bis 36 Prozent. Loulis hält ein Kräfteverhältnis für denkbar, in dem die Sozialisten als Juniorpartner den Konservativen die knappe Mehrheit zum gemeinsamen Regieren (oder besser: Exekutieren der Sparauflagen) ermöglichen können. Dafür aber könnten sie Antonis Samaras als Premier verhindern und stattdessen den Technokraten Lukas Papademos erzwingen. Der hat interessanterweise Fragen über seine politische Zukunft nach dem Ende der Übergangsregierung offen gelassen.