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Diese Szene in Belgien könnte auch in Österreich spielen, auf dem Herz auch die deutsche Variante "Unproportional lange Wartezeit" stehen.

Foto: EPA/JULIEN WARNAND

"Unproportional lange Wartezeit" ist auf dem rosaroten Herz zu lesen, das - auf dem Bild zu diesem Blog - ein Asylwerber in Belgien in die Kamera hält. Die Szene spielt vor dem dortigen Asyl-, Migrations- und Sozialministerium. Sie könnte genausogut in Österreich spielen, nur wäre im Hintergrund dann das Polizei-, also Innenminsterium in Wien zu sehen und die Inschrift wäre in Deutsch abgefasst.

Denn auch hierzulande warten Menschen, die als Flüchtlinge ins Land kommen, lange Jahre auf einen Asylbescheid. Nach wie vor arbeiten Bundesasylamt und Asylgerichtshof, letzterer die Berufungsinstanz, in vielen Fällen zu langsam. Das ist nach wie vor eine Ressourcen- und Bürokratismusfrage, doch die Rechten und ihre Nachplapperer wälzen die Schuld auf die Betroffenen und ihre HelferInnen ab. Sie sprechen von "Verschleppung".

Den wartenden AsylwerberInnen bleibt in der Zwischenzeit - wollen sie nicht völlig verunselbstständigen - nichts anderes übrig, als sich weiterzubilden. Konkret können sie Deutsch und, in Kursen, Berufe erlernen, auf eigene Initiative hin. Arbeiten dürfen sie nicht.

Beschworene "Integration"

Damit schreitet ihre so genannte Integration voran, doch die ist unerwünscht. Nur wer bereits internationalen Schutz zuerkannt bekommen hat, soll sich jene vielbeschworenen Sprach- und Bildungsfertigkeiten aneignen, die von "echten" Migranten eingefordert wird.

Eva Maria Bachinger und Martin Schenk in ihrem Buch "Die Integrationslüge" erkennen darin Züge einer Scheindiskussion; ihr Buch wird kommenden Dienstag, den 27. März, um 19 Uhr in der Hauptbücherei der Stadt Wien am Urban-Loritz-Platz präsentiert. Die Aufforderung an "Fremde", sich zu "integrieren", kehre angebliche kulturelle Unterschiede heraus, schreiben sie. Dabei werde die Pflicht, diese zu überwinden, allein den "Fremden" aufgetragen. Doch diese hätten auch bei erfolgter "Integration" große Schwierigkeiten, das bestehende Wohlstandsgefälle zwischen In- und Ausländern zu überwinden.

Dem ist hinzuzufügen: Während manchen "Fremden" bei Sanktionsandrohung "Integration" abverlangt wird, schätzt man diese bei anderen gering, ja, man ignoriert sie.

Lästige "Integration"

Tatsächlich kann sich "Integration" als geradezu lästig entpuppen. Etwa im Fall der Familie Karapetian. Sie soll am Dienstag, den 27. März, per Charterflieger nach Jerewan abgeschoben werden.

Nach Österreich kamen Vater und Mutter, Tochter, Sohn und Schwiegertochter Karapetian als Flüchtlinge, hintereinander, zwischen 2003 und 2005: Aus Armenien, dessen BürgerInnen in Österreich seit Jahren nur geringe, aber nicht ganz ausgeschlossene, Chancen auf Asyl haben.

Die Karapetians hatten keine: Vergangenen Sommer wurden ihre Asylanträge nach sechs, respektive sieben und acht Jahren rechtskräftig abgelehnt. Bis dahin jedoch hatten sie sich extrem gut "integriert". Tochter Ani hat am Wirtschaftsförderungsinstitut eine Friseurlehre mit dem Meistertitel abgeschlossen. Sie spricht Deutsch auf A2-Niveau. Sohn Anwar, dessen Ehefrau und der Vater beherrschen die Sprache noch besser: auf Fremdsprachenmaturaniveau B1.

Sinnlose "Integration"

Gäbe man der Familie eine Chance, sie würde sie nützen. Mit Arbeitserlaubnis würden die Karapetians Jobs finden und ins Sozialsystem einzahlen. Die öffentlichen Gelder für die Subventionierung ihrer Kurse würden sie dadurch um ein Vielfaches rückerstatten.

Doch stattdessen kämpfen sie in diesen Tagen um ihren Verbleib. Mit schlechten Karten, denn sie haben sich den Anordnungen der Fremdenpolizei widersetzt. Sie sind nicht ins gelindere Mittel im Familienanhaltezentrum in der Zinnergasse gezogen, von wo aus sie am Dienstag zum Airport transportiert werden sollten. Jetzt droht ihnen bei Auffindung Schubhaft.

So sind sie zu Unerwünschten geworden, die wie Verbrecher gesucht werden - obwohl sie ihre "unproportional lange Wartezeit" zur Weiterbildung genutzt haben und eigentlich so "integriert" sind, wie sich die Republik Einwanderer wünscht. Aber dass ihre Ausweisung durchgesetzt wird, ist dem Staat wichtiger.

Abschreckende Beispiele

Die Karapetians sind in dieser Lage nicht allein. Nur, dass sie im Unterschied zu dutzenden anderen ähnlichen "Fällen" Hilfsappelle an die Öffentlichkeit gerichtet haben. So lange das so ist, läuft die "Fremden"-Politik in Österreich verkehrt. Da wundert es nicht, dass man hierzulande Schwierigkeiten hat, qualifizierte Einwanderer zu finden. Denn so etwas spricht sich herum, in den Herkunftsländern, in potenziell auswanderungswilligen Kreisen. (Irene Brickner, derStandard.at, 24.3.2012)