Die Idee, dass Steuerzahler ein Mitspracherecht über die Verwendung der Steuergelder brauchen, ist nicht dem Hirn von Staatssekretär Sebastian Kurz entsprungen. Sie ist alt - und rührt an einer Grundfrage der Organisation des Gemeinwesens. Eine extreme Form ist die Plutokratie, die Herrschaft der Reichen - eventuell legitimiert durch ein Zensuswahlrecht, das den großen Steuerzahlern ein überragendes politisches Gewicht gibt, während es die Masse der Kleinverdiener von politischer Mitsprache ausschließt. Dieses Modell ist längst ad acta gelegt.

Das Gegenmodell besagt: Jeder liefere ab, was ihm vorgeschrieben wird - wie man Geld ausgibt, oft: verschwenderisch ausgibt, wissen am besten die Politiker. Nur wenn man das andere, das plutokratische Extrem sieht, kann man verstehen, dass auch die Idee, allen Budgetspielraum den Politikern zu geben, ziemlich extrem ist.

Zur Zeit der Aufklärung hat man beide Standpunkte hinterfragt. "No taxation without representation" lautete das Schlagwort, mit dem sich amerikanische Revolutionäre Mitsprache in den Kolonien und schließlich die Gründung der USA erstritten haben.

Nun muss man einwenden, dass die englischen Politiker, die im 17. Jahrhundert die Neuenglandstaaten unterdrückt haben, im Unterschied zu unserem Nationalrat nicht gewählt waren. Unsere Politiker werden ohnehin in allgemeinen freien und gleichen Wahlen von Reichen wie Armen gewählt, sie sind keine Unterdrücker. Aber: Entscheiden sie wirklich im Sinn der Steuerzahler?

Daher ist die Idee sehr charmant, die Bürger zumindest über einen Teil ihrer Steuerleistung mitbestimmen zu lassen. Steuern steuern, wohin sich der Staat bewegt: Soll mit meiner Steuerleistung eher eine Autobahn oder eher eine Eisenbahn gebaut werden? Ist mir persönlich Alten- oder Kinderbetreuung wichtiger? Braucht das Land eher Schulbildung oder eher Vermögensbildung?

Es gibt Beispiele, wo die Widmung eines Teils der Steuerleistung positive Auswirkungen - größeres Bekenntnis zum Gemeinwohl, mehr Steuerehrlichkeit - gebracht hat. Es gibt auch Beispiele, wo das Gegenteil passiert ist: In den USA gibt es Gemeinden, in denen eine Mehrheit älterer Bürger durchsetzen kann, dass kein Geld für Schulen " verschwendet" wird, in denen sie keine eigenen Kinder mehr haben. Aber jedenfalls führt Mitsprache über die Verwendung von Steuergeld zu einem höheren politischen Engagement. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 27.3.2012)