Protest gegen die Gewerkschaft - ein Novum in Österreich.

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Wien - Dass wegen der Kündigung ihres Kollektivvertrags die Tyrolean-Crew am Dienstag gegen die Gewerkschaft demonstriert, gilt als einzigartig. Damit wurde im Streit zwischen Gewerkschaft und AUA eine neue Eskalationsstufe gezündet. Der Luftfahrtverband sprach von einem Stellungskrieg der Gewerkschaften. AUA-Boden-Betriebsratschef Alfred Junghans fühlte sich am Montag zu einem Aufruf zu sachlichen Verhandlungen gezwungen. Er hofft, dass ein "tragbarer Ausweg" gefunden werden kann. Genannt wird der Samstag (31. März) als eine Art interne Deadline im Konzern, um zu einer Lösung zu kommen, die nicht Betriebsübergang auf Tyrolean heißt.

"Von dem vielzitierten Modewort der 'Augenhöhe' sind wir kilometerweit entfernt", kritisierte Thomas Blaska, Vorsitzender Tyrolean Board bei der heutigen Protestveranstaltung vor der ÖGB-Zentrale im 2. Wiener Gemeindebezirk. vor rund 120 Tyrolean-Mitarbeitern. Seine Frage "habt ihr noch Vertrauen in den ÖGB" wurde mit Buhrufen und Pfiffen beantwortet.

Für Mittag ist einen Pressekonferenz mit ÖGB-Chef Erich Foglar angesetzt, bis dahin bringen sich die Tyrolean-Beschäftigten mit Rockmusik in Stimmung. Zu "Highway to Hell" wurden Plakate mit Sprüchen wie "Keine Machtspiele mit Tyrolean", "Demokratie auch bei KV" und "KV für Tyrolean mit Tyrolean" in die Höhe gehalten. Und Blaska stellte in seiner Rede an die Kolleginnen und Kollegen Richtung ÖGB klar: "Unter Kollegenschaft verstehe ich etwas anderes. (...) Kollegen tun so etwas nicht, was die Gewerkschaft mit uns macht".

Die Gewerkschaft vida hatte hingegen am Dienstagvormittag davon gesprochen, dass bei einem Gespräch am späten Montagabend Einigung erzielt worden sei, dass das fliegenden Personal von Tyrolean und AUA einen gemeinsamen Konzern-Kollektivvertrag anstrebt.

Bures optimistisch

Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) ist trotz des heftigen Streits optimistisch, dass es zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine Einigung gibt. Sie ist aber gegen eine Politik der Zurufe. Die AUA gehört seit drei Jahren nicht mehr dem Staat, sondern der deutschen Lufthansa. Befürchtungen, die wieder verlängerten Landerechte der Golf-Airline Emirates wären ein "Todesstoß" für die AUA, hält die Ministerin für "maßlos übertrieben", davon rede nicht einmal die AUA selbst.

Der österreichische Luftfahrtverband unter seinem Präsidenten, dem Ex-AUA-Vorstand Mario Rehulka, sprach von einem "ordentlichen Absturz eines sogenannten Sozialpartners" und einem "Wettbewerb der Gewerkschaften am Rücken aller Konzernmitarbeiter": Von den 6.000 Mitarbeitern des AUA-Flugkonzerns sind in Österreich rund 1.200 bei der GPA und nur rund 850 bei der vida Gewerkschaftsmitglieder. Tyrolean Airways hat einen firmenspezifischen Kollektivvertrag mit eigenem GPA-Betriebsrat, verhandlungsberechtigt für fliegendes Personal ist dort jedoch die Gewerkschaft vida.

Die Gewerkschaft, so der Luftfahrtverband, fordere nun Solidarität für gewerkschaftliche Ansprüche, die von den meisten Mitarbeitern abgelehnt würden - und gefährde damit 6.000 AUA-Arbeitsplätze, ja sogar 50.000 Jobs auf den österreichischen Flughäfen, wie die Verbandsgeneralsekretärin Alexandra Slama in einer Aussendung meinte.

Darüber hinaus werde auf diese Weise der Wirtschaftsstandort gefährdet, "da die Eigentümergesellschaft Lufthansa unter diesen Zuständen den Kapitalzuschuss nicht vollziehen und sogar das Unternehmen Austrian Airlines in die Insolvenz führen könnte".

Zukunft des Luftfahrtstandortes

AUA-Bodenbetriebsrat Junghans rief zur Besonnenheit auf: "Allen an der Diskussion Beteiligten sollte klar sein, dass es jetzt nicht nur um die Zukunft des Unternehmens AUA geht, sondern um die Zukunft des gesamten Luftfahrtstandortes Österreich. Es ist der Zeitpunkt gekommen, wo alle Beteiligten wie die Wirtschaftskammer, die Lufthansa als Eigentümerin, das AUA-Management, die zuständigen Gewerkschaften und die Belegschaftsvertreter an einem Tisch zusammenkommen sollten, um gemeinsam tragbare Auswege zu beraten."

"Wirtschaftskammer und AUA-Management haben es selbst in der Hand, die Diskussion wieder in geordnete Bahnen zu lenken", so Junghans. "Statt Kollektivverträge zu kündigen und ständig mit einseitigen Verschlechterungen zu drohen, sollten die Zukunft des Standorts und das Wohl der Beschäftigten wieder im Vordergrund stehen", findet Junghans. Was die Beschäftigten am Boden betrifft, so führe man mit vida und GPA "seit geraumer Zeit erfolgversprechende Verhandlungen über eine Reform des Kollektivvertrages, mit zukünftigen Formen der Entgeltfindung und nachhaltigen Lösungen für das Bodenpersonal".

Bis zu den kommenden AUA-Sonderaufsichtsratsberatungen am 5. April will die Lufthansa bei der österreichischen Tochter eine Einigung mit der AUA-Belegschaft über das Personalkosten-Sparpaket auf dem Tisch liegen haben. Andernfalls erfolgt der Betriebsübergang auf die Regionaltochter Tyrolean mit deren billigerem Kollektivvertrag. Die Lufthansa - die die schwer defizitäre AUA gerade mit 140 Mio. Euro rekapitalisieren muss - will nicht mehr weiter zuwarten. (APA, 27.3.2012)