Mäandrierender Flusslauf, Sumpfgebiete und Trockenbiotope: Derzeit ist die Natur im Tiroler Platzertal noch unberührt. Laut Tiwag-Plänen sollte genau hier gestaut werden.

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Grafik: WWF Österreich

Innsbruck/Wien - "Das ist das Hainburg der Alpen. Das Hainburg des 21. Jahrhunderts", warnt WWF-Österreich-Geschäftsführerin Hildegard Aichberger - stellvertretend für Greenpeace, Global 2000 und Ökobüro, deren Vertreter allesamt mit ihr auf dem Podium sitzen. In der Konstellation seien sie noch nie gemeinsam aufgetreten, fiel ihnen auf.

Diesmal tun sie es für "einen gemeinsamen Aufschrei der gesamten Umweltszene", erklärt Aichberger. Diesmal ist es keine Aulandschaft an der Donau, sondern ein alpines Hochtal, das die Umweltschützer auf den Plan ruft: Das Platzertal, das für den Ausbau des Kraftwerkes Kaunertal geopfert werden soll. Dieses unberührte "Wildnisgebiet" mit seinen mäandrierenden Gewässerabschnitten, Moorlandschaften und Trockenbiotopen auf einer Seehöhe von mehr als 2000 Metern solle für ein "Monsterprojekt" geopfert werden, empören sich die Umweltschützer - das Tal würde hinter einer 120 Meter hohen und 420 Meter breiten Staumauer verschwinden und mit 42 Milliarden Liter Wasser geflutet werden.

Weiters würden für dieses Vorhaben vier Wildflüsse und Wildbäche gefasst und über Rohrsysteme umgeleitet werden - darunter die Venter Ache und die Gurgler Ache. Und: Das Rohrsystem mit einem Durchmesser von sechs Metern würde auch durch das Natura-2000-Gebiet Ötztaler Alpen errichtet werden.

Elchtest für Berlakovich

Was die Umweltschützer besonders empört, ist vor allem die rechtliche Vorgangsweise der Tiwag: Denn die Pläne für die fünf neuen Speicherkraftwerke seien bereits im Dezember "unter dem Titel eines Gewässerschutzplanes eingereicht" worden, berichtet der Umweltjurist und Ökobüro-Geschäftsführer Thomas Alge. Einen derartigen Plan dürfe in Tirol nur der Landeshauptmann im Rahmen eines wasserwirtschaftlichen Regionalprogrammes einreichen."

"Das ist für uns der Elchtest für Umweltminister Nikolaus Berlakovich", betont Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit. Denn "Berlakovich hätte diesen Tiwag-Plan, der klar gegen das Wasserrecht verstößt, sofort zurückweisen müssen". Sollte der Minister diesen eingereichten Plan unterschreiben, wäre das ein glatter Rechtsbruch, ist Egit überzeugt. Die Vertreter der vier Umweltschutzorganisationen unterzeichneten daher am Dienstag demonstrativ eine "Kaunertal-Erklärung" gegen den Ausbau des Tiroler Kraftwerks. Und: "Wir werden gegen dieses Projekt nicht nur den Rechtsweg, sondern auch jeden anderen gewaltfreien Weg, der uns zur Verfügung steht, beschreiten", warnt Egit.

Die erste Reaktion des Tiwag-Vorstandsvorsitzenden Bruno Wallnöfer: Er forderte "einen sachlichen Dialog statt ideologischer Fundamentalopposition". Denn: "Die Tiwag zerstört nichts. Vielmehr unterstützen wir die europäische Energiewende und arbeiten an einem energieautonomen Tirol. Wer diese Energiewende wirklich will, muss auch den Wasserkraftausbau wollen", so die Argumentation Wallnöfers.

Dazu die Umweltschützer: Tirol produziere ohnehin schon mehr Strom, als verbraucht werde - sofern man nicht nur die Produktion der Tiwag-Kraftwerke, sondern etwa auch des Verbundes mitrechne. Oberstes Ziel müsse vielmehr Einsparung und Effizienzsteigerung sein. (frei, DER STANDAD, 28.3.2012)