Ein Kollektivvertrag (KV) ist eine gute Sache. Weniger als klassenkämpferisches Element, mehr als Gradmesser. Neben der Teuerung bietet es sich alle paar Jahre an, die Mitarbeiter an den Produktivitätsgewinnen, so es denn welche gibt, zu beteiligen. Benutzt man den KV, um Machtpoker zu betreiben, dann reduziert man dessen Wert ganz schnell. Die Kündigung des Tyrolean-KVs war jedenfalls ein Schritt in die falsche Richtung - die Stamm-AUA muss mehr Tyrolean werden, nicht umgekehrt!

1:1 wird 0:2

Die Gewerkschaft denkt nun 1:1, wie du mir, so ich dir. Auf Ebene der Sozialpartner ist das richtig, nicht aber in der Sache. Der Tyrolean-KV bildet in seiner Basis einen guten KV für den AUA-Konzern. Dass die AUA einen neuen KV braucht, man denke an automatische Gehaltssteigerungen und unzeitgemäße Pensionsregelungen, steht außer Frage.

Aber es geht gar nicht so sehr darum, auf welchem Weg man zu einem konzernweiten KV kommt. Es geht um die Einstellung der AUA-Personalvertreter gegenüber ihren Kollegen der Tyrolean. Vor Jahren noch wollten sie nichts von einem für beide Unternehmen gültigen KV wissen. Jetzt, wo Feuer am Dach ist, stört man sich nicht daran, dass eine mit ihrem KV zufriedene Tyrolean auch noch verheizt wird.

Tyrolean ist AUA

Dabei erfüllt die Tyrolean schon jetzt mehr Kriterien für ein einheitliches AUA-Erscheinungsbild, als der AUA lieb ist. Sie fliegt nicht nur unter AUA-Flugnummern, sondern bald auch in Maschinen, wo AUA draufsteht (und nicht Austrian Arrows). Und vor allem sehen ihre Betriebsräte im Management einen Partner und kein Feindbild.

Apropos Management: Dass die Vorstände der letzten zehn Jahre zu einem Großteil für die AUA-Misere verantwortlich sind, auch weil in diesem Zeitraum die Liberalisierung des Luftverkehrsmarktes voll eingeschlagen hat, steht auch außer Streit. Denn an den Mitarbeitern liegt es nicht. Ob formell AUA oder formell Tyrolean, die Flugbegleiterinnen und Piloten machen für die rot-weiß-rote Airline einen ausgezeichneten Job. Betriebsräte und Gewerkschaft dürfen aber Maß und Ziel nicht aus den Augen verlieren. (Hermann Sussitz, derStandard.at, 28.3.2012)