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Bluegrass-Legende Earl Scruggs (1924-2012) im vergangenen Jahr bei einem Auftritt im Rahmen des Newport Folk Festivals.

Foto: AP/Joe Giblin

Lange bevor der Soundtrack zum Coen-Brothers-Film "Oh Brother, Where Art Thou?" traditioneller US-amerikanischer Musik einen ungeahnten Popularitätsschub verpasste, machte sich die am 28. März verstorbene Bluegrass-Legende Earl Scruggs um den Crossover-Appeal der "Old Time Country Mountain Music" verdient. Eine ursprünglich 1972 veröffentlichte, abendfüllende Doku mit dem Titel "His Family and Friends" ist jetzt zur Gänze auf Youtube verfügbar und zeigt den Meister des fünfsaitigen Banjos gleich zu Beginn, wie er mit Bob Dylan u.a. dessen "Nashville Skyline Rag" spielt.

Scruggs, 1924 in Shelby, North Carolina, geboren, zählte zum Zeitpunkt der Filmaufnahmen schon längst zu den wichtigsten Vertretern des "high lonesome sound" der Bluegrass Music. 1945 war Scruggs von Bluegrass-Übervater Bill Monroe in dessen Band geholt worden, in der er seine atemberaubende Dreifingertechnik entwickelte. Drei Jahre später verließ Scruggs die Blue Grass Boys von Monroe, um mit Gitarrist Lester Flatt eine eigene Formation, die einflussreichen Foggy Mountain Boys zu gründen bzw. schlicht als "Flatt and Scruggs" aufzutreten.

Die "Family and Friends"-Doku zeigt Scruggs auf einer musikalischen Identitätssuche, nachdem er sich von Flatt, der auf einen traditionelleren Sound setzte, getrennt hatte. Scruggs, einer der wenigen Country-Musiker, der sich gegen den Vietnamkrieg einsetzte, holte seine Söhne in die Band, erweiterte sein Repertoire u.a. um Beatles-Songs und machte, wie im Film zu sehen, etwa gemeinsame Sache mit Roger McGuinns The Byrds, die sich ihrerseits den Brückenschlag von Rock zu Country auf die Fahnen geheftet hatten.

So interessant sich solche frühen Crossover-Versuche ausnehmen, gehören die aus heutiger Sicht faszinierendsten Momente den Weggefährten von Scruggs wie dem blinden Bluegrass-Gitarristen Doc Watson, wenn er beim ungeprobten Musizieren für "backporch"-Atmosphäre sorgt und Einblicke in die Lebenswelt der Appalachen gibt. Einer heute verschwundenen, keineswegs idyllischen, aber tatsächlich lange von äußeren Einflüssen abgeschirmten Welt, wie sie etwa auch Sharyn McCrumb in ihren Crime Novels beschwört.

Scruggs sollte indessen auch weitere 30 Jahre, zeitweise wieder mit seinem einstigen Partner Lester Flatt vereint, eine Zentralfigur der Bluegrass-Szene bleiben. 2002 gewann Scruggs für sein berühmtes Instrumental "Foggy Mountain Breakdown" nach 1969 einen zweiten Grammy, dieses Mal für eine All-Star-Version, an der nebst Gitarrenvirtuosen wie Albert Lee und Vince Gill auch ein gewisser Steve Martin beteiligt war.

Für den Comedian und Schauspieler, der bereits während seiner Zeit bei der US-Comedy-Show "Saturday Night Live" wiederholt mit dem Banjo aufgetreten war und zuletzt das Bluegrass-Album "Rare Bird Alert" veröffentlichte, spielte dabei mit jenem Mann zusammen, dessen Spielfertigkeit bis heute als definitives Maß in Sachen Banjo gilt. (glicka, derStandard.at, 1.4.2012)