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Vorratsdatenspeicherung: Den Stecker per Verfassungsklage zu ziehen ist nicht so einfach, wie ein Expertenrundruf zeigt.

Foto: AP Photo/Bastian Foest

Die von der Plattform AK Vorrat und der Kärntner Landesregierung initiierten Verfassungsklagen gegen die seit 1. April geltende Vorratsdatenspeicherung haben wenig Chancen auf Erfolg - zumindest ist das der Tenor eines derStandard.at-Rundrufs bei Verfassungsjuristen. 

Es sei "äußerst fraglich, ob die Klage aussichtsreich sein wird", meint Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk. Zwar gebe es "erhebliche Zweifel" an der Menschenrechts-Konformität der Regelung, die nach Ansicht Funks "weder notwendig noch maßhaltend" ist. Doch sei "nicht völlig auszuschließen, dass mit der Datenspeicherung Gefahren abgewehrt oder Verbrechen aufgeklärt werden können". Und erfahrungsgemäß hebe der Verfassungsgerichtshof (VfGH) Gesetze nur dann auf, wenn die Verfassungswidrigkeit evident sei - das sei aber hier nicht der Fall, so Funk, der jedoch einräumt, dass "Prognosen immer schwierig sind".

Richtlinie sanft umgesetzt

Auch Heinz Mayer von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Wien ist skeptisch, ob der VfGH-Antrag Erfolg haben wird. Österreich sei bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung immerhin "sehr restriktiv" vorgegangen. Die Richtlinie hätte zwei Jahre Speicherungsdauer erlaubt - das heimische Gesetz sieht dagegen nur sechs Monate vor. Die Klagenden müssten vor dem VfGH anschaulich belegen, dass Polizei und Staatsanwaltschaft aus der neuen Handhabe nur "einen verschwindend geringen Nutzen" ziehen könnten, glaubt Mayer. Dass dies gelinge, sei zu bezweifeln. 

Auch Theo Öhlinger, einst Ersatzrichter am VfGH, traut der Klage nur bescheidene Erfolgsaussichten zu. "Wenn der Gerichtshof bei seiner Judikatur bleibt, und das tut er in der Regel, dann gibt er dem EU-Recht Vorrang." Die österreichische Regelung der Vorratsdatenspeicherung gehe kaum über die Richtlinie hinaus - somit sei die Basis für eine Anfechtung gering. Sollten die VerfassungsrichterInnen grundsätzlich Zweifel an der Grundrechtsvereinbarkeit hegen, dann würden sie den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Klärung bitten - dies geschehe aber bereits, und zwar im Rahmen eines vom irischen High Court veranlassten Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH. "Der VfGH wird sicher das Verfahrensergebnis abwarten", so Öhlinger.

Eigenes EuGH-Verfahren

Anders sieht das Christof Tschohl vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte, der die Verfassungsklage juristisch ausgearbeitet hat: Es sei durchaus denkbar, dass der VfGH selbst ein Vorabentscheidungsverfahren lanciert. "Der VfGH kann die irische Fragestellung ja um eigene Fragen ergänzen - der EuGH muss dann alles gemeinsam behandeln."

Tschohl gesteht aber, dass ein Abgehen des VfGH von der EU-Richtlinie "ein Präzedenzfall wäre". Ein Ausgang des VfGH-Individualantrags, salopp als Verfassungsklage bezeichnet, sei "wahnsinnig schwer vorherzusehen", meint auch Tschohl. Für den Juristen wäre es "schon ein erster Etappensieg, wenn der VfGH alle von uns angefochtenen Punkte zur Prüfung zulassen würde". Das ist jedenfalls fraglich: Bislang wurden nur Daten gespeichert, ein Zugriff auf die Daten gemäß den neuen Regelungen in der Strafprozessordnung bzw. im Sicherheitspolizeigesetz ist bis dato noch bei keinem und keiner der Klagenden erfolgt - es gibt also keine unmittelbar betroffene Person.

Nicht mit Deutschland vergleichbar

Das deutsche Bundesverfassungsgericht hatte die deutsche Umsetzung der EU-Richtlinie für verfassungswidrig erklärt. Daraus etwas für Österreich abzuleiten hält Heinz Mayer jedoch für verfehlt: "Das Bundesverfassungsgericht maßt sich sehr viel an, trifft immer wieder politische Entscheidungen - unser VfGH ist da wesentlich zurückhaltender." Funk hält zudem die deutsche Kritik nicht für auf das österreichische Modell anwendbar: Das Bundesverfassungsgericht habe den lückenhaften Rechtsschutz beanstandet - "bei uns sind die Rechtsschutzmechanismen vergleichsweise gut ausgebaut", so Funk.

Diese Mechanismen würden jedoch erst dann greifen, wenn ein Zugriff auf die Daten erfolge - "gespeichert wird aber alles, ohne Prüfung", argumentiert Tschohl. Die Verfassungsklage soll am 25. Mai eingebracht werden. (Maria Sterkl, derStandard.at, 3.4.2012)