Eine Hausbesucherin spricht Mütter auf die Angebote des Vereins an.

Foto: beratungsgruppe.at/Wolfgang Kratky

Zielgruppe sind Mütter von Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren.

Foto: beratungsgruppe.at/Wolfgang Kratky

Bei Wolfgang Kratky laufen am Dienstag die Telefone heiß. Staatssekretär Sebastian Kurz hat im Ö1-"Morgenjournal" angekündigt, die Hausbesuche bei Eltern mit Migrationshintergrund ausweiten zu wollen. Als Vorzeigeprojekt nannte er das Hausbesuchsprogramm des Vereins beratungsgruppe.at in Wien-Meidling. Kratky ist der Leiter des Vereins. Nun wollen die Medien von ihm wissen, warum sein Projekt den Integrationsstaatssekretär überzeugt hat.

Zielgruppe sind Mütter

Projekte wie jenes von beratungsgruppe.at wollen Menschen mit Migrationshintergrund helfen, die vom sozialen Leben isoliert sind. Mit Hausbesucherinnen versuchen sie, an jene Frauen heranzukommen, die meist nur zu Hause sind und keinen Anschluss an die Gesellschaft finden. Zielgruppe sind Mütter von Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren. Sie werden zusätzlich zum Kindergarten unterstützt, den Müttern soll bei der Erziehung geholfen werden. Entwickelt wurde die Idee für ein solches Programm in Israel. Das Konzept nennt sich "Home Instruction for Parents of Pre-school Youngsters", kurz HIPPY.

"HIPPY fördert die Sprachentwicklung, die erzieherische Kompetenz von Müttern, das Selbstwertgefühl und die soziale Anerkennung und die Integration durch Vermittlung von Information", heißt es auf der Homepage von beratungsgruppe.at. Das Besondere am Projekt ist, dass die Hausbesucherinnen einen ähnlichen sozialen und kulturellen Hintergrund haben wie die Frauen der Zielgruppe. 

"Auflauernde Arbeit"

"Die Hausbesucherinnen arbeiten nicht mit dem Kind, sondern mit der Mutter", sagt Projektleiter Kratky im Gespräch mit derStandard.at. Vor dem Kindergarten, im Park oder in Wohnanlagen sprechen die Mitarbeiterinnen des Vereins die Mütter an und versuchen so, an sie heranzukommen. "Das braucht oft länger Zeit, bis die Frauen Vertrauen fassen", sagt Kratky. "Wir sagen immer: Das ist eigentlich eine auflauernde Arbeit." 

Ganzheitliche Förderung

Nach zwei oder drei Terminen wird entschieden, ob die Familie für das Projekt geeignet ist. Dann beginnt die Arbeit mit den Frauen. "Die Hausbesucherinnen gehen mit den Müttern Spiel- und Lernmaterialien in Rollenspielen durch", erklärt er. Jede Woche gibt es ein Paket an Übungen, alle drei bis vier Wochen ein Buch zum Vorlesen. Die Übungen betreffen nicht nur sprachliche Kompetenz. So werde zum Beispiel auch gemeinsam gebacken, wie Kratky erzählt. "Es geht um die ganzheitliche Förderung. In vielen Familien, auch in jenen, die man als 'klassisch österreichisch' bezeichnet, wird zu wenig kommuniziert."

Einmal pro Woche Besuch

Im Lauf der Woche sollen die Mütter mit ihren Kindern spielen und lernen. Nach einer Woche kommt die Hausbesucherin wieder und stellt der Mutter Fragen darüber, wie die Übungen gelaufen sind. "Je nach Geschwindigkeit des Kindes und der Mutter werden neue Übungen vorbereitet", so der Projektleiter.

80 Familien betreut beratungsgruppe.at derzeit. Insgesamt arbeiten elf Mitarbeiter für den Verein, sechs davon sind Hausbesucherinnen. Sie werden vom Verein angestellt und bekommen eine kurze Grundausbildung. Wichtiger sei aber, dass sie die Fälle aus den Familien ständig mit den Erwachsenenbildnerinnen des Vereins besprechen. "Bei Fragen, die über den Umfang des Programms hinausgehen, etwa sozialen Fragen, vermitteln wir sie mit Hilfe der Hausbesucherinnen an geeignete Beratungsstellen", sagt Kratky. 

Mehr Selbstbewusstsein

Grundsätzlich sei zu beobachten, dass die Frauen, die am Projekt teilnehmen, wesentlich selbstbewusster würden. So fragen sie zum Beispiel nach Möglichkeiten eines Deutschkurses. Auch die Kinder profitieren vom Projekt. Von den Volksschullehrerinnen, die später die Kinder unterrichten, gebe es durchwegs "sehr, sehr positive Rückmeldungen", erzählt Kratky. 

Ausbau in ganz Österreich

Bereits im Dezember 2011 wurde der Ausbau ähnlicher Projekte in ganz Österreich beschlossen. Seit Jänner 2012 werden verschiedene neue und bereits bestehende Projekte in Wien, Niederösterreich, Salzburg, Kärnten und der Steiermark ausgebaut. Kurz hat angekündigt, dass dafür 200.000 Euro pro Jahr vom Staatssekretariat zur Verfügung gestellt werden, 100.000 Euro werden von den Trägervereinen bezahlt. Der Verein beratungsgruppe.at startete bereits im Jahr 2007 mit seiner Arbeit. Er finanziert sich vor allem durch Fördergelder der EU und des Innenministeriums. (Lisa Aigner, derStandard.at, 3.4.2012)