Wien - Wäre Kurfürst August der Starke kein Sachse, sondern Österreicher gewesen, hätte Ernst Albert S. wohl am Dienstag nicht im Wiener Landesgericht erscheinen müssen. Dann hätte er seine Schulden nämlich anstandslos bezahlen können und hätte Richter Stefan Apostol nicht davon überzeugen müssen, dass er kein Betrüger ist.

Denn: Nach einem Unfall ließ sich der 71-jährige Angeklagte bei einem Wiener Zahnarzt das Gebiss restaurieren. Zur Hälfte. Denn irgendwann wollte der Mediziner auch Geld für seine Arbeit, exakt 11.811 Euro. Das er bisher nicht bekam.

Wortreiche Erklärungen

S., der sich gerne mit Prinz titulieren lässt, da er von einem Mitglied eines deutschen Adelshauses adoptiert worden ist, argumentiert wortreich, dass eigentlich alles ein großes Missverständnis sei.

Er sei im Winter 2010 vor einer Bank in der Wiener Innenstadt auf einem nicht geräumten Gehsteig ausgerutscht und habe sich dabei die Zähne ausgeschlagen. Er sei fix davon überzeugt gewesen, dass die Versicherung der Bank für den Schaden in ihrem Verantwortungsbereich aufkomme. Und er habe dem Doktor auch erklärt, dass die ganze Angelegenheit eine Versicherungssache sei.

Wolfgang Jesch, der Arzt, sieht das ganz anders. "Er hat schon an der Rezeption klar gemacht, dass er ein Adeliger sei und hat auch sehr korrekt gewirkt. Dadurch bin ich ihm leider auf den Leim gegangen", schildert er dem Richter.

Keine bewusste Betrugsabsicht

Eine erste Rechnung zahlte der Angeklagte noch. Dann habe der Arzt aber die Arbeit eingestellt und ihn mit fast zahnlosem Oberkiefer zurückgelassen - was er demonstriert, indem er die Prothese aus seinem Mund nimmt und Apostol zeigt. Dass die Bank-Versicherung für den Unfall nicht zahlte, sei Pech gewesen.

Er habe dann auch eines seiner Gemälde versteigert, ein Porträt von August dem Starken. Nur: "Die Aristokraten hier kaufen nur Bilder von Personen, zu denen sie einen Bezug haben." Freigesprochen wird er dennoch. Es lasse sich nicht sicher feststellen, dass er bewusst betrügen wollte und nicht tatsächlich mit dem Geld gerechnet habe, argumentiert Apostol sein nicht rechtskräftiges Urteil. (moe, DER STANDARD, 4.4.2012)