Die Schweiz zeigt Flagge vor dem Reichstagsgebäude in Berlin (oben) - und mit ihrem Haftbefehl gegen deutsche Steuerbeamte, gegen den nun die "Bild"-Zeitung ihre Geschütze in Stellung bringt.

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Mit Empörung haben einige deutsche Politiker darauf reagiert, dass die Schweiz gegen deutsche Finanzbeamte Haftbefehle erlassen hat. Die Maßnahme richte sich gegen den völlig falschen Personenkreis.

Zwar sei es richtig, dass deutsche Finanzbeamte digitale Hehlerware aus der Schweiz bei der Ausübung ihrer Arbeit benutzt hätten. Aber sie hätten dabei nur Anweisungen befolgt. Die in der Schweiz gestohlenen CDs mit den Namen deutscher Steuerhinterzieher seien ja nicht von den Finanzbeamten erworben worden sondern von verschiedenen Landes- und Bundespolitikern. Daraus folge, dass sich nicht die Finanzbeamten sondern die Regierungspolitiker des Aufkaufs der gestohlenen Waren, also der Hehlerei schuldig gemacht hätten.

Weder Maß noch Ziel

Die Finanzbeamten, die sich der CDs bedient haben, könnten allenfalls wegen sekundärer Hehlerei in minder schweren Fällen belangt werden. Darauf stehe schlimmstenfalls eine Bewährungsstrafe.

Im Allgemeinen käme man mit einigen Stunden Sozialdienst in Familien davon, die ihre Steuererklärung nicht verstehen und aus Verzweiflung an die Eröffnung eines Nummernkontos in der Schweiz denken.

Die in erster Linie schuldigen Politiker würden von der Schweiz nur deshalb nicht strafrechtlich verfolgt, weil sie als Amtsträger Immunität genießen. Außerdem seien einige noch in angenehmer Erinnerung, weil sie - anders als der durchschnittliche Finanzbeamte - früher einmal beträchtliche Schwarzgeldkonten in der Schweiz verwaltet hätten. Sie würden als alte Kunden noch nachträglich geschont.

Quadratur des Kreises

Einige Politiker, so heißt es, würden jetzt darüber nachdenken, ob sie nicht durch Selbstanzeigen die Schweizer Staatsanwaltschaft zwingen können, auch gegen sie Haftbefehl zu erlassen. Man könne sich dann den dortigen Behörden stellen und direkt von Schweizer Gefängnissen aus über ein neues Steuerabkommen verhandeln, was die ganze Sache auch logistisch sehr vereinfachen würde.

Ziel solcher Verhandlungen müsse es selbstverständlich sein, einen europaweit einheitlichen Steuersatz von 100 Prozent auf Einkommen aller Art zu erheben. Damit wäre allen gedient. Der deutsche Fiskus erhielte dringend notwendige Mehreinnahmen, während gleichzeitig kräftige Anreize geschaffen würden, wieder mehr Schwarzgeld in die Schweiz zu verbringen. (Rainer Bonhorst, DER STANDARD, 5.4.2012)