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Der zerbombte Reaktor Osirak

Foto: EPA AFPI/RAMZI HAIDAR

Am 13. und 14. April, also nächste Woche, soll die nächste, langerwartete Gesprächsrunde über das iranische Atomprogramm stattfinden: Uneinig, worüber man eigentlich sprechen will - nicht über einen Stopp der iranischen Urananreicherung, sagt Teheran - ist man sich ohnehin immer. Aber diesmal weiß man noch nicht einmal, wo die Gespräche stattfinden werden.

Istanbul war der Ort der Verhandlungen, der ursprünglich vorgesehen war. Aber die iranisch-türkischen Differenzen über die Syrien-Frage sind mittlerweile so groß, dass Teheran laut eigenen Aussagen das Vertrauen verloren hat, dass es sich bei Istanbul um einen neutralen Ort handelt. Die Türkei hatte sich ja in den vergangenen Jahren als Vermittler in vielen Konflikten zu platzieren versucht. Durch seine Positionierung als Agent für einen "regime change" in Syrien ist die türkische Regierung von Recep Tayyib Erdogan aber in Teheran unmöglich geworden, da können Erdogans Beziehungen zu Israel noch so schlecht sein wie sie wollen.

Darüber, was der richtige Verhandlungsort ist, hat Teheran so seine eigenen Gedanken: Man hat - neben China, das als Uno-Vetomacht sowieso mit am Tisch sitzt - Bagdad als Verhandlungsort vorgeschlagen. Der irakische Außenminister Hoshyar Zebari hat nach eigener Aussage bereits die Teilnehmer formell eingeladen.

Eine Provokation für die Golfstaaten

Zweifellos wird man zumindest in den arabischen Golfstaaten, die unsichtbar mit am Tisch sitzen - denn sie fühlen sich vom iranischen Atomprogramm direkt bedroht -, diese iranisch-irakische Mauschelei als schlichte Provokation empfinden. Nicht nur dass der Iran seit dem Fall von Saddam Hussein 2003 und mit dem schwindenden US-Einfluss der letzten Jahre zum wichtigen strategischen Partner des Irak geworden ist. Mit der verbalen Attacke, die Premier Nuri al-Maliki nur wenige Tage nach dem Gipfel der Arabischen Liga gegen die Golfstaaten ritt, der am 29. März das erste Mal seit 22 Jahren wieder in Bagdad abgehalten wurde, ist die vor dem Gipfel versuchte vorsichtige Annäherung zwischen dem schiitisch regierten Irak und den Golfsunniten wieder vertan. Maliki hatte Saudi-Arabien und Katar dafür kritisiert, dass sie in Syrien die Free Syrian Army gegen Bashar al-Assad finanzieren wollen. Auch hier - wie bei Teheran und Ankara - geht es also um die unterschiedlichen Positionen zum Aufstand in Syrien.

Gegen Katar hatte Maliki aber noch zusätzlich ausgeholt, weil sich der irakische sunnitische Vizepräsident Tarik al-Hashimi, gegen den Maliki wegen Terrorismusverdachts einen Haftbefehl ausstellen ließ, gerade dort aufhielt: Hashimi hatte sich der Verhaftung zu Jahresbeginn entzogen, indem er im autonomen irakischen Kurdengebiet Zuflucht gesucht hatte. Von dort reiste er vor kurzem nach Katar. Momentan ist er in Saudi-Arabien, zur Hajj, heißt es. Hashimi, der ursprünglich ein irakischer Muslimbruder ist, gehört politisch zur Gruppe um Malikis Konkurrent Ayad Allawi, der eigentlich die Wahlen 2010 gewonnen, aber keine Mehrheit zustande gebracht hatte. In den Augen der Sunniten - besonders der am Golf - hat Maliki Allawi mit unfairen Mitteln ausgebootet.

Und nun sollen nach iranisch-irakischen Willen ausgerechnet in Bagdad die iranischen Atomverhandlungen stattfinden. Abgesehen von den Sicherheitsfragen ist das also auch eine politisch brisante Idee. Und historisch überfrachtet ist sie auch: Ist doch der Irak eines der Länder, die sich selbst jahrelang mit der internationalen Gemeinschaft im Clinch über ihr Atom(waffen)programm (sowie andere Massenvernichtungswaffen) befanden. Vorgeblich war ja der Krieg 2003 ein Entwaffnungskrieg gewesen - was sich allerdings im Nachhinein als Unsinn herausstellte.

Historische Erinnerungen

Vielleicht will Teheran auch daran erinnern, dass die Geschichte des irakischen Atomprogramms erst so richtig begann, nachdem Israel 1981 den irakischen Forschungsreaktor Osirak in einem Luftangriff zerstört hatte. Die israelische Argumentation für den Angriff war damals gewesen, ein irakisches Plutoniumseparationsprogramm für den Bau einer Atombombe in den Anfängen - der Reaktor war noch nicht in Betrieb gewesen - zu ersticken. Aber die Folge der israelischen Angriffs war, dass sich der Irak auf ein Urananreicherungsprogramm verlegte, das er wenig erfolgreich, aber immerhin jahrelang unentdeckt im Untergrund entwickelte.

Hätte nicht Saddam Hussein 1990 Kuwait überfallen und wäre das nicht zeitlich mit dem Beginn der Auflösung der Sowjetunion zusammengefallen - was den US-geführten alliierten Golfkrieg 1991 gegen Saddam möglich machte -, dann wäre der Irak wohl irgendwann Mitte der 1990er Jahre in der Lage gewesen, eine Atomwaffe zu bauen. Mit Saddam Hussein an der Spitze wäre der Irak allerdings nicht mit dem Iran verbündet gewesen, wie heute. (Gudrun Harrer, derStandard.at, 5.4.2012)